Kann man in einem Auto mit manuellem Getriebe schalten, ohne die Kupplung zu treten? Ein Experte erklärt, welche Gefahren dabei drohen.
Wer nicht gerade einen Wagen mit Automatik fährt, kennt das Phänomen: Mit den Jahren verschleißt die Kupplung, der Schalthebel bewegt sich etwas lockerer durch die Schaltgassen. Kann man die Gänge ohne vorheriges Treten der Kupplung einzulegen. Das kann Folgen haben.
Matthias Strixner vom TÜV Süd macht bei seiner Antwort vorab eine Unterscheidung: Ist der Motor an oder aus? Denn die Bewegung der einzelnen Teile wirkt sich auch auf die Kupplung und das Getriebe aus.
Die Kupplung ist die trennbare Verbindung zwischen Motor und dem Getriebe. „Sie ist eine Überlastsicherung und ermöglicht ruckfreies Anfahren und ruckfreie Schaltvorgänge. Dazu müssen die Drehzahl beim Ausgang des Motors und beim Eingang des Getriebes nahezu gleich sein“, erklärt Strixner.
Die wichtigsten Teile in der Kupplung sind die Druckplatte (samt Federn und den sogenannten Ausrückelementen sowie anderen Bauteilen) und die Kupplungsscheibe. Wenn Sie das Kupplungspedal nicht treten, wird die Kupplungsscheibe von der Druckplatte gegen das Schwungrad des sich drehenden Motors gedrückt. Motor und Getriebe sind somit verbunden. Die Kraft wird über die Zahnräder des Wechselgetriebes mit entsprechender Übersetzung auf die Räder übertragen.
Mit einem Tritt auf das Pedal trennen Sie diese Verbindung: mit Federkraft wird die Druckplatte von der Kupplungsscheibe abgehoben, die Kraftübertragung ist unterbrochen.
Beim Schalten treten Sie das Kupplungspedal und gehen kurz vom Gas – die Motordrehzahl sinkt, ebenso die Drehzahl der Zahnräder im Getriebe. Hauptziel: In den zu schaltenden Zahnrädern des Wechselgetriebes sollen gleiche Drehzahlen vorherrschen. Wenn Sie jetzt den Schalthebel bewegen, lassen sich die verschieden großen Zahnräder in die jeweilige Gangstellung einfacher verschieben. Das verändert die Übersetzung im Getriebe – die Motordrehzahl und das Motordrehmoment werden in Abhängigkeit von der gewählten Übersetzung gewandelt.
Wenn Sie nach dem Gangwechsel die Kupplung kommen lassen und wieder aufs Gaspedal treten, steigt die Drehzahl beider Teile (Motorausgang und Getriebeeingang) synchron an. Das schont das Material. Durch die jeweilige Übersetzung im Getriebe ergibt sich, vereinfacht gesprochen, die jeweilige Fahrgeschwindigkeit.
Ebenso hilft die getretene Kupplung beim Anfahren: Die Kraft des Motors wird durch das leichte Schleifenlassen dosiert ans Getriebe und an die Räder abgegeben. Somit vermeiden Sie, dass zu viel Vortrieb ruckartig auf die Straße kommt.
„Bei ausgeschaltetem Motor ist das technisch möglich, aber bei bestimmten Gängen wird es haken – im Getriebe stehen dann die Zahnräder direkt aufeinander und können nicht einrasten“, erklärt er. Die Kupplung sei bei stehendem Auto nicht so wichtig, da beide Drehzahlen (von Motorausgang und Getriebeeingang) gleich sind. In diesem Fall liegen sie bei Null.
Bei laufendem Motor ist es theoretisch möglich zu schalten, ohne die Kupplung zu treten – geübte Fahrer mit äußerst viel Gefühl für Ihr Auto können die Drehzahlen gut zusammenbringen, sagt Strixner. „Aber nur weil es technisch in einigen Fällen möglich ist, rate ich definitiv davon ab!“: Denn dadurch steigt die Belastung für die mechanischen Teile ungemein an. „Wird ein derartiges Schaltmanöver durch ungeübte Fahrer ohne das entsprechende Feingefühl erfolglos durchgeführt, kann es relativ schnell zu kapitalen Getriebeschäden kommen.“ Weitreichendere Schäden am Antriebsstrang sind ebenso nicht auszuschließen, warnt der Experte.
Komfortabel wäre das Schalten ohne Kupplungspedal auch nicht: Wer einmal vergessen hat, die Kupplung beim Motorstart mit eingelegtem ersten Gang zu treten, weiß beim ruckartigen Sprung nach vorn, welche Kräfte wirken.