Gleich drei Spitzenposten haben Union und SPD in der vergangenen Woche schon mit Frauen besetzt. Aber wie ernst meint es die neue Regierung mit der Gleichberechtigung wirklich?
Am Dienstagvormittag brandet in den Reihen der Unions-Abgeordneten im Plenum des Deutschen Bundestags Applaus auf. Friedrich Merz erhebt sich von seinem Platz, in der linken Hand hält er einen Strauß Blumen, die Mundwinkel verzieht er zu einem zufriedenen Grinsen. Neben ihm steht Julia Klöckner. Als Merz ihr den Strauß überreicht, strahlt die CDU-Politikerin über das ganze Gesicht. Es ist ihr großer Moment.
In der konstituierenden Sitzung wird Klöckner von den Abgeordneten zur Präsidentin und Nachfolgerin von SPD-Politikerin Bärbel Bas gewählt. Für Klöckner ist es ein Riesengewinn. Denn viele brachten die CDU-Politikerin noch so sehr mit dem ehemaligen Kabinett von Angela Merkel in Verbindung, dass lange unklar war, ob sie in einer neuen Legislatur überhaupt noch mal eine relevante Rolle übernehmen sollte. Teil der Regierung ist Klöckner jetzt zwar nicht, aber sie besetzt offiziell das zweithöchste Amt im Land. Eines, das durchaus Strahlkraft hat.
Die CDU will damit ein Signal senden. Dass die Partei eine Frau zur Bundestagspräsidentin macht, das gab es seit Rita Süssmuth nicht mehr. Was wie ein Fortschritt wirkt, ist in Wahrheit nur ein erster kleiner Schritt in Sachen Gleichberechtigung. Die echte Probe startet jetzt, wenn es um die Regierungsbildung geht.
Wenn in diesen Tagen die Koalitionsverhandlungen in ihre „finale Phase“ starten, beginnt spätestens damit auch die Debatte über die Verteilung der Kabinettsposten. Welche Ministerien bekommen CDU und CSU, welche die SPD? Wer landet auf welchen Posten im Kabinett? Und wer geht mit Merz ins Kanzleramt?
Wer den Maschinenraum der Politik kennt, weiß, dass die Parteien dabei auf verschiedene Dinge achten müssen. So wollen etwa die Landesverbände angemessen vertreten sein, ebenso die unterschiedlichen Parteiflügel. Und nicht zuletzt muss darauf geachtet werden, dass ausreichend Frauen dabei sind. Gerade bei letzterem tun sich manche Parteien schwerer als andere.
Um also ein Signal zu senden, haben sich die neuen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD (wenn alles glattgeht) entschieden, gleich zu Beginn drei Spitzenämter mit Politikerinnen zu besetzen. Noch nicht im Kabinett, aber im Bundestagspräsidium. Julia Klöckner wird wie gesagt Bundestagspräsidentin, Andrea Lindholz (CSU) und Josephine Ortleb (SPD) ihre Stellvertreterinnen. Alle drei sind damit in höchste Staatsämter aufgerückt – die am Ende jedoch vor allem repräsentativ für das Parlament sind. Gestaltet wird mehr an anderer Stelle – etwa im Kabinett oder dem Koalitionsausschuss. Wie sieht es dort mit den Frauen aus?
Hört man sich bei den Parteien um, werden längst erste Namen für Ministerämter gehandelt – und die sind (überwiegend) männlich. Da sind bei der CDU etwa der Generalsekretär Carsten Linnemann oder der bisherige parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Auch Jens Spahn könnte noch einmal eine Rolle spielen, womöglich wird er sogar Fraktionschef. Unterdessen sollen bei der SPD mitunter Lars Klingbeil, Boris Pistorius oder Matthias Miersch gute Chancen haben.
Geht man die Namen so durch, fällt auf, dass die Liste der Männer, die infrage kommen, lang ist, während bei den Frauen häufig erst einmal die Frage aufkommt: Ja, welche gibt es denn eigentlich? Das ist zumindest bei der Union nicht verwunderlich, wenn Parteichef Merz auf die Frage nach Geschlechterparität im Kabinett antwortet, man tue auch den Frauen keinen Gefallen, wenn am Ende nicht nach Qualifikation entschieden würde. Zuletzt sagte Merz: „Wir haben jetzt wieder nur leider 25 Prozent Frauen in der Bundestagsfraktion – der Anteil im Kabinett wird höher.“ Das hieße, es wären mehr als ein Viertel der Posten. Unterdessen hat die SPD sich vorgenommen, die Posten paritätisch zu besetzen.
Zumal es durchaus Frauen gibt, die zumindest auf dem Papier nicht weniger qualifiziert wären als jene Männer, die gerade als „sicher“ gehandelt werden. Etwa die CSU-Politikerin Dorothee Bär oder CDU-Landesministerinnen, wie Karin Prien (Schleswig-Holstein), Ina Scharrenbach (Nordrhein-Westfalen), Kristina Sinemus (Hessen) oder Felor Badenberg (Senatorin in Berlin). Auch bei der SPD gäbe es Frauen. Etwa die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die bisherige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz oder die Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.