Während in Deutschland die E-Mobilität kämpft, gewinnen Elektrofahrzeuge woanders Marktanteile. Felix Kuhnert von PwC über die Zukunft der Branche.
Krisenstimmung in der Autobranche: Mit der E-Mobilität läuft es in Deutschland schlecht, die Zulassungszahlen sind im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Viertel eingebrochen. In China, dem wichtigsten Markt der deutschen Hersteller, schwächeln VW, Mercedes und Co. massiv. Im dritten Quartal 2024 schrumpfte ihr Umsatz dort um sechs Prozent, der Pkw-Absatz um neun Prozent, der Gewinn sogar um 50 Prozent.
Trübe Aussichten auch für 2025? Felix Kuhnert, Automotive Leader bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland, sieht für die Branche nur einen Weg.
t-online: Herr Kuhnert, wenn Sie auf das kommende Jahr blicken – was könnte die Autoindustrie überraschen?
Felix Kuhnert: Eine positive Überraschung wäre, wenn nach der Wahl wieder Kaufanreize für E-Autos eingeführt würden. So könnte die E-Mobilität wirklich hochlaufen. Weltweit steigen die Marktanteile batterieelektrischer Fahrzeuge dort, wo der Staat klare Signale durch Förderprogramme setzt. Dabei müssen es nicht unbedingt die 6.000 Euro sein, die es früher hierzulande gab. Kunden verstehen solche Förderungen als Zeichen dafür, dass der Wandel auch politisch gewünscht ist.
Was hingegen ist im kommenden Jahr sicher?
Die CO2-Regulierungen werden strenger. Um die Abgasauflagen zu erfüllen, müsste etwa jedes vierte Fahrzeug, das die Hersteller künftig verkaufen, voll elektrisch sein. Das stellt die Industrie vor große Herausforderungen – vor allem in Deutschland, wo die Verkaufszahlen seit dem Wegfall der Prämien Ende 2023 eingebrochen sind. Die Frage ist, ob wir den Turnaround schaffen, um die Flottengrenzwerte einzuhalten. Andernfalls drohen Strafzahlungen, die die Branche zusätzlich belasten würden.
Kommen die Hersteller überhaupt noch um das E-Auto herum?
Wenn die aktuellen Regulierungen bestehen bleiben, dann nicht. Verbrennungsmotoren sind in den kommenden 10 bis 15 Jahren noch ein wichtiges Produkt, primär auf Märkten ohne Infrastruktur für E-Autos. E-Fuels sind keine nachhaltige Alternative zur Elektrifizierung. Sie werden auf absehbare Zeit eine Nische bilden. Der globale Wettbewerb – besonders durch Tesla und chinesische Hersteller – zwingt uns, konsequent auf E-Mobilität zu setzen. Andernfalls laufen wir Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Außerdem: Was machen wir, wenn große Städte wie Paris die Verbrenner komplett aussperren?
Felix Kuhnert ist Partner und Global Automotive Leader der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler verfügt über mehr als 20 Jahre praktische Erfahrung in der Beratung von Automobilherstellern, Händlerorganisationen und Verbänden. Durch seine Rolle ist er im ständigen Dialog mit Herstellern sowie Händlerverbänden und Organisationen wie beispielsweise dem VDA, der ACEA und der WTO.
Aktuell kämpfen nicht nur deutsche, sondern insgesamt viele europäische Hersteller mit Schwierigkeiten. Wie steht es um die Produktion in Europa?
Im Vergleich zu Vor-Covid-Zeiten haben wir in Europa 3,4 Millionen Einheiten an Produktion verloren. Einerseits ist die Nachfrage zurückgegangen, andererseits sind Teile der Produktion abgewandert – zum Beispiel nach China, wo viele Fahrzeuge auch verkauft werden. Ein weiteres Problem, das oft übersehen wird, ist die Vielzahl an Modellen auf dem Markt. Die Produktfamilien wurden stark erweitert und durch elektrische Zwillinge ergänzt – und das mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Wenn man etwa den Cupra Born mit dem VW ID.3 vergleicht: Die technische Basis ist fast identisch, doch die Markterfolge sind sehr unterschiedlich.
Erfolg hängt von mehreren Faktoren ab: Passt das Design und das Image der Marke? Gibt es passende Services wie Software-Updates oder spezielle Angebote für E-Auto-Käufer? Auch der Vertrieb spielt eine entscheidende Rolle, weil er nah am Kunden ist. Kunden erwarten ein durchgängiges und reibungsloses Erlebnis – von der ersten Information bis zum Alltag mit dem Fahrzeug. Hier haben die Autohersteller insgesamt noch viel Verbesserungspotenzial.
Die schlechten Verkaufszahlen europäischer E-Autos liegen aber doch auch daran, dass diese gerade im unteren Preissegment noch immer zu teuer sind im Vergleich zu anderen Herstellern. Können die Europäer das überhaupt noch aufholen?
Sie müssen aufholen – und ich bin überzeugt, dass sie es können. Die Batteriepreise sind inzwischen stärker gesunken als erwartet, und das bietet Potenzial für bezahlbare E-Autos. Aktuell sind die französischen Hersteller hier führend, mit Modellen wie dem Citroën ë-C3 ab rund 24.000 Euro. Volkswagen plant mit dem ID.2 jedoch ein Modell, das 2025 auf den Markt kommen und deutlich unter 30.000 Euro kosten soll. Das könnte ein wichtiger Schritt sein, um im Wettbewerb mitzuhalten.
Aber nur günstig war bislang nie die Grundlage für den Erfolg des deutschen Automobilbaus. Auch in den oberen Preisklassen und einem Premiumerlebnis kann sehr gut Geld verdient werden.