Die neue Formel-1-Saison könnte die spannendste seit Langem werden. Im t-online-Interview analysiert Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, was die Fans erwartet.
Am Sonntag (ab 5 Uhr im Liveticker bei t-online) startet die Formel 1 mit dem Grand Prix von Australien in die neue Saison. Spannung ist garantiert: Nachdem die Red-Bull-Dominanz der vergangenen Jahre in der letzten Saison gebröckelt war, werden mit McLaren, Red Bull, Ferrari und Mercedes vier Teams Chancen auf Rennsiege und womöglich sogar den WM-Titel eingeräumt.
Aufmerksam beobachten wird den Titelkampf auch Norbert Haug. Der heute 72-Jährige war von 1990 bis 2012 Motorsportchef von Mercedes-Benz und prägte unter anderem mit McLaren-Mercedes und später auch dem Werksteam von Mercedes die Geschehnisse in der Königsklasse des Motorsports mit. Mika Häkkinen wurde auch unter Haugs Führung in legendären Duellen mit Michael Schumacher zum Weltmeister. Auch der Start von Lewis Hamiltons Formel-1-Karriere und dessen erster WM-Titel fallen in die Ära von Haug.
Im Gespräch mit t-online schaut Haug auf die neue Saison voraus und spricht dabei über die Favoriten, Lewis Hamiltons Versuch, Michael Schumachers WM-Rekord zu brechen, sowie über den Zustand der Formel 1 in Deutschland und die Zukunft von Mick Schumacher.
t-online: Herr Haug, die neue Formel-1-Saison steht an und McLaren geht als Topfavorit ins neue Jahr. Freut es Sie, dass das traditionsreiche Team, das ja auch Ihr alter Rennstall ist, wieder um Titel kämpft? Und vor allem: auch das Traditionsduell mit Ferrari wieder aufleben könnte?
Norbert Haug: McLaren nahm 2024 zweifellos eine überaus erfreuliche Entwicklung. Vom Letzten am Saisonbeginn 2023 zum Ersten am Saisonende 2024 ist geradezu atemberaubend und passiert in der Formel 1 höchst selten. Dass dies mit identischem Antrieb des Mercedes-Werksteams gelang, macht diesen Erfolg noch viel bemerkenswerter. Und: Ja, McLaren-Mercedes startet zweifellos als Favorit in die neue Saison, was mich schon aus nostalgischen Gründen sehr freut; und sollte es dann erneut zum Prestigekampf McLaren-Mercedes und Ferrari wie zu den damaligen Hochzeiten der Formel 1 kommen, wäre das sicher nicht nur für mich ein Leckerbissen.
Im letzten Jahr wurden McLaren-Pilot Lando Norris mentale Schwächen nachgesagt. Glauben Sie, er hat das Format, um Fahrern wie Max Verstappen und Lewis Hamilton die Stirn zu bieten? Ist Verstappens Dominanz endgültig vorbei?
Lando Norris ist zum Siegen stark genug, genauso wie sein Teamkollege Oscar Piastri, das haben beide bewiesen. Die Rechnung ohne Max Verstappen zu machen, würde ich indes niemandem im Feld empfehlen. Genauso wenig ist Lewis Hamilton nach seinem Wechsel zu Ferrari nur als Mitfahrer zu sehen. Hat er das Auto und das Team dazu, wird er um den WM-Titel fahren.
McLaren ließ vergangenes Jahr unter den sogenannten „Papaya Rules“ beide Fahrer auch bis tief in die Saison hinein gegeneinander fahren. Halten Sie das für richtig oder sollten sie sich auf eine klare Nummer eins festlegen?
Ich halte es für absolut richtig, dass diese damals exakt so von Ron Dennis (Ex-Teamchef, Anm. d. Red.) bei McLaren und uns bei Mercedes praktizierte Marschorder bis heute als „Papaya Rules“ überlebt hat. Exakt so geht in meinen Augen Rennsport, von Stallordern habe ich noch nie etwas gehalten, selbst wenn deren Nichtanwendung uns Weltmeistertitel gekostet hat.
Mercedes hat in den letzten Jahren nicht nur seine Dominanz eingebüßt, sondern nun auch noch Lewis Hamilton verloren. Was trauen Sie den Silberpfeilen mit George Russell und Andrea Kimi Antonelli zu?
Ich bedauere sehr, dass sich Mercedes und Lewis Hamilton getrennt haben, und hätte damit auch niemals gerechnet. Mercedes muss 2025 zweifellos beweisen, dass sie so viel wie McLaren mit gleichem Antrieb zu leisten in der Lage sind. Die Fahrer dazu haben sie nach meiner Einschätzung durchaus.