Er wurde 96 Jahre alt
Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter ist tot
Aktualisiert am 29.10.2024 – 08:29 UhrLesedauer: 3 Min.
Edzard Reuter, ehemaliger Chef von Daimler, ist tot. Er wollte den Autokonzern radikal erneuern.
Der frühere Chef von Daimler, Edzard Reuter, ist tot. Das teilte der Pressesprecher der Helga und Edzard Reuter-Stiftung mit. Er starb am 27. Oktober im Alter von 96 Jahren in Stuttgart. „Der Tod von Edzard Reuter erfüllt uns mit großer Trauer“, sagte Dr. Susanne Eisenmann, Kuratoriumsvorsitzende der Helga und Edzard Reuter-Stiftung.
Reuter war von 1987 bis 1995 Vorsitzender des Vorstands der Daimler-Benz AG. Unter ihm wurde die neue Zentrale in Stuttgart gebaut. Reuter ist der Sohn des legendären Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter. Die gemeinnützige Helga und Edzard Reuter-Stiftung setzt sich für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer, religiöser oder kultureller Herkunft ein.
Reuter versuchte unter seiner Leitung, den Autokonzern zu einem viel breiter aufgestellten Technologie-Imperium zu machen und verhalf den Stuttgartern zu einer eigenen Luft- und Raumfahrttochter, der DASA. Auch wenn es dem Chef viel Aufmerksamkeit einbrachte, scheiterte die Vision am Ende. Daimler kehrte zurück zum Kerngeschäft. Was blieb, war ein Milliardenverlust – und Reuter wurde den von Kritikern aufgedrückten Stempel des größten Kapitalvernichters aller Zeiten nie mehr los.
Er selbst hat seinen Kurs immer verteidigt. „Wir haben im Einzelnen bei unserem Versuch, einen Technologiekonzern aufzubauen, gewaltige Fehler gemacht – gar kein Zweifel“, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. „Aber der grundsätzliche Weg ist nach meiner festen Überzeugung absolut richtig gewesen.“ Man habe schon damals überlegt, wie die Zukunft der Autoindustrie aussehen könnte und wie das Unternehmen sich darauf einstellen sollte.
Der studierte Mathematiker und Jurist kam 1965 zu Daimler-Benz und wurde dort 1976 Vorstandsmitglied. Zweimal war er als Chef schon im Gespräch gewesen, zweimal jedoch wurden ihm andere Kandidaten vorgezogen. 1987 klappte es dann.
Einen glanzvollen Abschied bekam Reuter nicht – im Gegenteil. Die Reaktionen nach seinem Ausscheiden bei Daimler seien eine schwere, böse Demütigung gewesen, hat er einmal dem „Zeit-Magazin“ gesagt. Aber, das habe ihm seine Mutter vermittelt, so etwas müsse man ertragen, wenn man von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt sei.
Selbstverständlich stand immer ein Mercedes in der Garage
Reuters Herz hing trotz allem an Daimler, selbstverständlich stand immer ein Mercedes in der Garage. In den Jahren nach seinem Ausscheiden waren es aber andere Themen, die im Vordergrund standen. Wer Reuter sah, ihn hörte oder von ihm las, dem dürfte es mitunter schwergefallen sein, das mit seinem einstigen Posten als mächtiger Wirtschaftsboss in Einklang zu bringen.
Der Sohn des legendären Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter, SPD-Mitglied seit Jahrzehnten, trat nicht nur als Streiter für mehr Anstand und Moral in der Wirtschaft, sondern auch als sozial- und gesellschaftspolitischer Mahner auf. Von seinem Haus am Rande Stuttgarts aus führte Reuter selbst die nach ihm und seiner Frau Helga benannte Stiftung, die sich für ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen einsetzt.
„Wir müssen lernen, dass Fremde, die zu uns kommen und mit uns leben, auch unser Leben bereichern können, auch ändern können“, sagte Reuter einmal der dpa. Er selbst wuchs in der Türkei auf, nachdem seine Familie 1935 vor den Nazis dorthin geflüchtet war. Die Lage dort hielt er ebenso aufmerksam im Blick wie die nationalistischen Tendenzen in der Europäischen Union. Dass die gemeinsamen Wertvorstellungen, auf denen Europa basiere, einmal derart erodieren könnten, habe er sich nie vorstellen können, kritisierte er.
Darüber in Verzweiflung zu verfallen, all die Zeitungen und Bücher wegzulegen und sich abzuwenden, kam trotzdem nie infrage. So wie er an seine Vision glaubte, glaubte Reuter auch an das Gute im Menschen. „Ich glaube, dass wir Menschen die Fähigkeit haben, mit den größten Problemen fertig zu werden, auch wenn sie noch so schlimm sind.“