Der Anschlag in München erschüttert Deutschland. Wieder ist der Täter ein abgelehnter Asylbewerber. Die Politik müsse in der Migrations- und Sicherheitspolitik dringend handeln, fordert die Polizeigewerkschaft GdP.
Wieder ein Anschlag in Deutschland, wieder verübt durch einen abgelehnten Asylbewerber: Nach der Tat in München am Donnerstag ist das Entsetzen groß, die Politik fordert und verspricht viel. Bei Florian Leitner von der Polizeigewerkschaft GdP ist die Stimmung eine andere: Er ist wütend. Und zwar auf die Politik.
Leitner ist eigentlich Erster Polizeihauptkommissar beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord, zurzeit ist er für seine Arbeit als Gewerkschafter freigestellt. Er kennt die Praxis also gut – und weiß, woran es in solchen Fällen seit Jahren mangelt. Er erklärt im Interview, welche Fakten gerne ignoriert und welche Maßnahmen seit Jahren blockiert werden.
Herr Leitner, ein afghanischer Asylbewerber ist mit einem Auto in München in eine Demonstration gefahren, es gibt 30 Verletzte. Was ist über den Täter und die Tat bekannt?
Florian Leitner: Es handelt sich nach ersten Erkenntnissen um einen gezielten Anschlag von einem Einzeltäter. Der Mann war ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan, der mit einer Duldung noch in unserem Land war. Er war polizeibekannt wegen Drogendelikten und Diebstahl. Die genauen Hintergründe zu seinem Motiv werden gerade noch ermittelt.
Im Januar gab es bereits eine Messerattacke eines Afghanen in Aschaffenburg mit zwei Toten; im Dezember eine Auto-Amokfahrt eines Saudi-Arabers mit sechs Toten und Hunderten Verletzten in Magdeburg; im August eine Messerattacke eines Syrers in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten. Erleben wir gerade eine ungewöhnliche Häufung von Gewalttaten mit dem Ziel einer hohen Opferzahl, die durch Ausländer verübt werden?
Ja, unserer Einschätzung nach kommt es gerade ungewöhnlich oft zu solchen Taten.
Warum? Inspirieren sich die Täter gerade gegenseitig?
Das ist nicht auszuschließen. Man weiß aber noch nicht, was im Hintergrund in diesen Fällen alles gelaufen ist. Das wird jetzt ermittelt. Das Ziel von Terrororganisationen wie auch radikalisierten Einzeltätern aber ist: die Stabilität und Sicherheit in unserem Land zu erschüttern.
Florian Leitner, 44 Jahre alt, ist Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP in Bayern. Er ist eigentlich Erster Polizeihauptkommissar beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord, derzeit aber freigestellt für seine Tätigkeit als Gewerkschafter und Personalrat im Hauptpersonalrat des Bayerischen Innenministeriums.
Afghanen und Syrer scheinen gehäuft auffällig zu werden. Ist dieser Eindruck richtig?
Ja, bei solchen Anschlägen sind sie überproportional vertreten. Mit Blick auf die Kriminalstatistik 2023 ist insgesamt ein Anstieg der Delikte unter Beteiligung ausländischer Tatverdächtiger zu verzeichnen. Syrer sind hier die größte Gruppe ausländischer Tatverdächtiger, Afghanen die viertgrößte Gruppe. Es ist wichtig, diese Fakten zu sehen. Und zugleich ist wichtig: Hass und Hetze bringen uns nicht weiter. Viele Menschen aus diesen Ländern haben sich in Deutschland gut integriert, sie sind nicht das Problem. Das Problem gerade ist die Politik, die nicht handelt. Als Polizist könnte ich da kotzen. Entschuldigung, ich kann es leider nicht anders sagen.
Was müsste aus Ihrer Sicht zuerst passieren?
Die Liste ist lang. Ein Kernproblem ist, dass es an Möglichkeiten krankt, abzuschieben. In München war der Täter wieder ein abgelehnter Asylbewerber, der nicht abgeschoben werden konnte. Die Politik muss unbedingt Abkommen auf internationaler Ebene treffen, um solche Abschiebungen zu ermöglichen – auch nach Afghanistan. Menschen, die kein Bleiberecht haben, müssen raus aus dem Land. Sie überfordern sonst unser System. Und es muss in Ordnung sein, das zu sagen. Man darf dann nicht in eine radikale Ecke gestellt werden. Das trägt dazu bei, dass die wirklich radikalen Kräfte erstarken und Maßnahmen im Keim erstickt werden.
![Abschiebung Abschiebung](https://images.t-online.de/2025/02/Vnny32EuUWJj/0x209:2048x1152/fit-in/1920x0/nach-der-machtuebernahme-durch-die-taliban-2021-gab-es-einen-abschiebeflug-aus-deutschland-nach-kabul-archivbild.jpg)
Was muss im Bereich Innere Sicherheit passieren?
Es braucht erstens dringend Investitionen in dem Bereich. Aktuell ist der Eindruck bei vielen Bürgern: Man ist nicht mehr sicher, man kann nicht mehr gefahrlos vor die Tür gehen. Und der Karneval steht jetzt vor der Tür. Die Sicherheitsvorkehrungen werden noch einmal hochgefahren werden. Aber wir sind bei der Polizei personell an der Grenze.
Es braucht unbedingt eine bessere Vernetzung zwischen den Polizeien in den 16 Bundesländern, des Bundes und dem Verfassungsschutz. Alle Kollegen müssen bundesweit auf demselben Wissensstand sein. Das System Vera, das hier in Bayern angewendet wird, könnte das zum Beispiel ermöglichen – es vereint alle polizeilichen Recherchesysteme in einem. Aber es wird eben nur in Bayern eingesetzt, andere Länder benutzen andere Systeme.