Bei Louis Klamroth ging es um politischen Stil, Wirtschaftskrise, E-Autos, Schuldenbremse – und Gregor Gysi hatte einen Ratschlag zum Umgang mit der AfD.
„Politik in der Vertrauenskrise – wer hat jetzt den Plan für Deutschland?“ lautete das Thema der letzten „Hart aber fair“-Ausgabe vor der Weihnachtspause. Von einem „historischen Tag“ sprach Moderator Louis Klamroth angesichts der planmäßig verlorenen Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz – und kam zunächst auf die vorangegangene hitzige Debatte im Bundestag zu sprechen. Ob diese schon ein Vorgeschmack auf den nun beginnenden Wahlkampf gewesen sei, wandte er sich an die Journalistin Melanie Amann. Die stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin bejahte und kritisierte die Schärfe der Auseinandersetzung: „Wenn Scholz Lindner die sittliche Reife abspricht, ist das brutal und unangemessen.“
- Saskia Esken (SPD), Parteivorsitzende
- Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
- Christian Dürr (FDP), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
- Svenja Bolldorf, Angestellte bei Ford in Köln
- Gregor Gysi (Die Linke), Bundestagsabgeordneter
- Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin „Der Spiegel“
Ähnlich sahen das Christian Dürr und Reiner Haseloff. Der FDP-Fraktionsvorsitzende begrüßte zwar die „Chance, Unterschiede sichtbar zu machen“, forderte aber, „das gegenseitige Kopfnotenverteilen“ sein zu lassen. Wenn eine Koalition scheitere, trage jeder eine Mitschuld. „Es gibt in diesem hohen Haus auch Grenzen“, pflichtete der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bei und fügte in Bezug auf die Scholz-Wortwahl hinzu: „Man tritt so nicht nach.“
Saskia Esken dagegen verteidigte die Kanzler-Rede als „Beschreibung der Realität“. Die SPD-Co-Vorsitzende warf der FDP Vertrauensbruch und Zündelei vor: „Es ist lange Zeit ein Spiel gespielt worden.“
Linken-Altstar Gregor Gysi forderte einen „Gesprächskreis aller demokratischen Parteien“ zu der Frage, „warum die etablierte Politik von der CSU bis zur Linken so an Ansehen verloren hat“.
Um eine von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffene Bürgerin in die Diskussion einzubinden, hatte die „Hart aber fair“-Redaktion die Kölner Ford-Angestellte Svenja Bolldorf eingeladen – und damit keinen ganz überzeugenden Griff getan. Zwar zeigte sich die IT-Fachkraft eloquent und beklagte angesichts der geplanten Stellenstreichungen in ihrem Unternehmen eine „unglaubliche Verunsicherung“ in der Belegschaft. Sie musste aber einräumen, dass ihr eigener Job bis 2032 sicher sei, was ihre Nöte wenig dringlich erscheinen ließ. Dennoch forderte sie angesichts der „massiven Transformation“, in der sich ihre Branche befinde, staatliche Investitionen in die Lade-Infrastruktur für E-Mobilität sowie eine Deckelung des Industriestrompreises.
Immerhin wurden beim Thema Automobilindustrie die unterschiedlichen Ansätze der Parteien deutlich. Während sich Saskia Esken für eine staatliche Förderung des Verkaufs deutscher Elektroautos mittels einer „Made in Germany“-Prämie aussprach, sah FDP-Mann Dürr das skeptisch. Er warf die Frage auf, ob eine solche Maßnahme überhaupt „europarechtskonform“ wäre, und vertrat die Meinung, es gehe vielmehr allgemein um „Wettbewerbsfähigkeit“.
Reiner Haseloff sah „weltweite Überkapazitäten“ auf dem Automarkt und bescheinigte der Politik, die Entscheidung über das Verbrenner-Aus „ohne die Reaktion der Menschen“ getroffen zu haben, die kaufen und sich entscheiden müssten. „Man hat sich an der Taktung für diesen Sektor der Mobilität schlicht und einfach verplant.“ Er sah da Parallelen zum Heizungsgesetz. Als Gregor Gysi sich wie Esken für staatliche Investitionen aussprach, war der Weg zur Schuldenbremsen-Diskussion nicht mehr weit.
Es sei ein Fehler der aktuellen Regelung, dass sie „konsumtive und investive Ausgaben“ gleich behandle, erklärte die Reform-Befürworterin Saskia Esken und führte zur Verdeutlichung die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau ins Feld: Diese würde niemals den Kühlschrank aus Kreditmitteln füllen, aber auch keinesfalls das Haus verrotten lassen, „wenn’s zum Dach reinregnet“.
Reiner Haseloff hingegen sah eine Reform der Schuldenbremse nicht als „das erste Thema“. Der CDU-Ministerpräsident gab zwar freimütig zu, dass er für sein Bundesland gerade erneut eine finanzielle Notlage beantragt, um weitere Kredite an der Schuldenbremse vorbei aufnehmen zu können. Im Bund aber regte er an, zunächst die „Abflüsse“ beim Bürgergeld zu stoppen. Christian Dürr wies darauf hin, dass massive Investitionen auch unter Einhaltung der Schuldenbremse möglich seien.