Bundestrainer Nagelsmann holt Leon Goretzka zurück in die Nationalmannschaft. Zu Recht, meint t-online-Kolumnist Stefan Effenberg – und warnt Borussia Dortmund.
Jetzt steht es fest: Leon Goretzka kehrt in die deutsche Nationalmannschaft zurück. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat ihn für die anstehenden Länderspiele in der Nations League gegen Italien nominiert. Ich freue mich sehr für Leon – denn er hat sich das DFB-Comeback wirklich verdient.
Schon in meiner letzten Kolumne habe auch ich dafür plädiert, dass Goretzka wieder das deutsche Trikot trägt – denn er hat ein bemerkenswertes Jahr hinter sich: Noch im vergangenen Sommer stand er beim FC Bayern auf dem Abstellgleis und vor dem Abschied aus München. Und genau da hat sich sein wahrer Charakter gezeigt: Er ist drangeblieben, wollte sich bei den Bayern durchsetzen – und hat es geschafft. Mittlerweile ist er Stammspieler, Bayern-Trainer Vincent Kompany setzt auf ihn, weiß, dass er sich auf Goretzka verlassen kann.
Der Bundestrainer wird das genau gesehen haben – und erkannt haben, dass es absolut Sinn macht, ihn auch in die Nationalmannschaft zurückzuholen. Goretzka bringt die nötige Erfahrung mit, ist ein absoluter Vollprofi. Man kann seine Leistung gar nicht hoch genug einschätzen. In meiner Karriere habe ich auch mit einigen Spielern zusammengespielt, die sich in ähnlichen Situationen wiederfanden wie Goretzka. Die haben sich dann hängen lassen, sich mit ihrem Schicksal abgefunden, nur noch mit halber Kraft Einsatz gezeigt. Goretzka hat nun aber genau das Gegenteil getan, sich aus diesem Tief herausgekämpft. Für mich ist er deshalb aktuell der Spieler der Saison beim FC Bayern.
Viel Lob gebührt dabei übrigens auch Nagelsmann, der nur auf das Jetzt schaut und damit Goretzkas Leistung würdigt. Nicht nur das. Er signalisiert damit auch anderen Nationalspielern und solchen, die es werden wollen: Nur die aktuelle Leistung zählt, völlig unabhängig von vergangenen Verdiensten oder Verwerfungen. Diese beiden Spiele gegen Italien jetzt sind schließlich eine Standortbestimmung für die DFB-Elf, zwei Duelle, auf die wir uns freuen können.
Nagelsmann verteilt nicht nur vor solchen besonderen Duellen – im Gegensatz zu seinen letzten beiden Vorgängern – keine Almosen bei den Nominierungen, sondern bleibt weiter bei seiner konsequenten Durchsetzung des Leistungsprinzips. Aus diesem Grund fehlen auch große Namen wie Serge Gnabry oder Julian Brandt. Gnabry hatte in den letzten beiden Jahren mit vielen Verletzungen zu kämpfen, ist immer noch eher auf dem Zurück-zu-alter-Stärke denn schon wieder in Top-Form. Brandt ist bei Borussia Dortmund einfach zu schwankend in seinen Leistungen, ihm fehlt die Konstanz, die nötig ist.
Und genau deshalb finden sich im DFB-Kader stattdessen nun auch Jonathan Burkardt und Nadiem Amiri von Mainz 05 wieder. Beim FSV ist unter Trainer Bo Henriksen zwar das Kollektiv entscheidend, aber sowohl Burkardt als auch Amiri ragen trotzdem heraus. Nagelsmann belohnt die beiden für ihre konstant starken Leistungen – und macht Burkardt auch deutlich, dass er ihn trotz seiner zahlreichen Verletzungsrückschläge der letzten Jahre nie aus den Augen verloren hat.
Im Auge hatte er auch Yann Aurel Bisseck, den in Deutschland ansonsten wohl nur wenige wirklich auf dem Schirm hatten. Aber wer sich als Verteidiger bei Inter Mailand durchsetzt und Stammspieler bei einem Champions-League-Viertelfinalisten ist, der steht zu Recht auch im Kader der Nationalmannschaft.
Bisseck und Inter sind auch kommender Gegner des FC Bayern im Viertelfinale der Champions League. Das ist eine in der Königsklasse sehr erfahrene Mannschaft, hochkarätig besetzt und unangenehm zu spielen. Mit Torwart Yann Sommer und Abwehrspieler Benjamin Pavard sind zudem zwei frühere Profis der Münchner dabei, die gegen ihren Ex-Klub alles geben werden. Diese Partien werden für die Mannschaft von Trainer Vincent Kompany ganz anders als die Achtelfinals gegen Bayer Leverkusen – und: schwieriger.