Streit um Böllerverbot
„Dann wäre das Feuerwerk vom Tisch“
Aktualisiert am 31.12.2024 – 10:32 UhrLesedauer: 4 Min.
Die Menschen feiern den Jahreswechsel gern mit Feuerwerk. Zwei Pyrotechniker und zwei Krankenhausmitarbeiter argumentieren für bzw. gegen die Silvester-Tradition.
Silvester 2020 und 2021 war für die Pyrotechnik-Branche nicht leicht. Das Verkaufsverbot für Feuerwerk während der Corona-Pandemie, das in der allgemeinen Debatte vereinfacht als Böllerverbot bezeichnet wurde, brachte miese Umsätze. Umso rekordverdächtiger waren die Umsätze in den Jahren 2022 und 2023. Auch 2024 wird mit guten Verkaufszahlen gerechnet.
Jährlich flammt die Diskussion darüber auf, ob Feuerwerk grundsätzlich verboten werden sollte. Zwei Pyrotechniker und zwei Krankenhausmitarbeiter haben unterschiedliche Meinungen.
Ingo machte seinen Pyrotechniker-Schein vor zehn Jahren und beglückt seitdem hobbymäßig viele Menschen mit seinen aufwendigen Feuerwerken. Er spricht sich klar gegen ein Böllerverbot aus. Zwar bedauere er jede Person, die durch Böller und Ähnliches zu Schaden komme, doch sei beispielsweise der Straßenverkehr ebenfalls gefährlich. „Auch ein Auto kann zur Waffe werden“, sagt er. Es komme aber keiner auf die Idee, Fahrzeuge zu verbieten.
„Die Unfälle im Zusammenhang mit pyrotechnischen Gegenständen sind in fast allen Fällen einem unsachgemäßen Umgang und einem übermäßigen Alkoholkonsum geschuldet.“ Deshalb appelliert er an die Vernunft der Bevölkerung, keine Knallkörper provokativ auf Personen zu richten und mit Alkohol sparsam umzugehen, wenn man Feuerwerk abbrennen will.
Dass die Diskussion über ein Böllerverbot bei Politikern auf offene Ohren stoße beziehungsweise diese ein solches selbst fordern, liege daran, dass die Pyrotechnik – im Gegensatz zu Autos – über eine sehr kleine Lobby verfüge. „Ein Böllerverbot ist schnell ausgesprochen und leicht umzusetzen“, beklagt Ingo und unterstellt Deutschland eine grundsätzliche Verbotskultur.
„Die Kundschaft würde ihr Feuerwerk im Ausland kaufen. Die Politik würde nichts erreichen, außer der Wirtschaft zu schaden, Arbeitsplätze zu vernichten und die Sicherheit aufs Spiel zu setzen.“ Der „Feuerwerkstourismus“, wie Ingo ihn nennt, würde massenhaft nicht zugelassene Feuerwerkskörper nach Deutschland bringen, die – in Verbindung mit Alkohol – Leichtsinnigkeit verursachten, provokatives Verhalten schürten und damit das größte Gefahrenpotenzial besäßen. „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, fasst der Pyrotechniker zusammen.
„Ich kann das Zeug nicht leiden“, entgegnet Anke Schulz und begründet ihre Abneigung unter anderem mit ihrer beruflichen Erfahrung: „Ich habe schon einmal auf einer Unfallchirurgie gearbeitet und die Bilder der Verletzten haben sich eingefressen“, verrät sie. „Außerdem leiden die Tiere darunter und der Krach ist unerträglich. Ich war schon einmal drei Tage lang taub, weil jemand einen Polenböller in den U-Bahn-Schacht geworfen hatte.“
Anke Schulz verweist darauf, dass Böllern in anderen Ländern schon lange verboten ist und Deutschland sich dem anschließen solle. Jedoch spricht sie sich nicht gegen jede Art von Feuerwerk aus: „Raketen reichen und sind schön anzuschauen, aber Knaller braucht keiner.“
„Ich bin Arzt und hatte früher an Silvester mehrmals Dienst in der Notaufnahme eines größeren Klinikums im Rheinland“, lässt Dr. med. Rainer Korff t-online wissen. Im Gegensatz zu Anke Schulz habe er keine einzige Verletzung durch Böller gesehen. „Probleme hatten wir hingegen mit Alkoholvergiftungen, Schnittwunden nach reichlichem Alkoholkonsum, Stürzen im Rausch und anderen alkoholbedingten Verletzungen“, berichtet er.
„Wenn man also wirklich die Notaufnahmen entlasten will, sollte die Politik geeignete Maßnahmen ergreifen, den Alkoholkonsum zu Silvester zumindest etwas einzuschränken. Den Verkauf von Feuerwerk zu verbieten, wird dagegen keine Entlastung bringen“, meint der Mediziner und stimmt mit Pyrotechniker Ingo überein: „Diese Aktion könnte auch kontraproduktiv sein: Viele werden sich illegale Böller besorgen oder sogar selbst etwas basteln, mit unkontrollierbaren Folgen.“
Video | Feuerwerksverbot: ein Pro & Kontra
Helmut arbeitet seit 30 Jahren als Pyrotechniker, „mit entsprechender Ausbildung und sprengstofflicher Erlaubnis“, wie er verrät. Er erklärt, dass der Begriff Böllerverbot nicht ganz zutreffend sei. „Beim legalen Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 gibt es keine wirklichen Böller, sondern Kracher, Knaller und Ähnliches. Die dürfen allesamt nur Schwarzpulver enthalten und einen Schalldruck von maximal 120 Dezibel erzeugen.“