Parteitag
Dürr zum FDP-Chef gewählt – Lindner geht schweren Herzens
Aktualisiert am 16.05.2025 – 21:08 UhrLesedauer: 4 Min.
Nun soll er es richten: Christian Dürr ist neuer FDP-Chef. Sein Vorgänger Christian Lindner gibt ihm eine Art Vermächtnis mit auf den Weg. Dürr hat eine Mission 2029: die Rückkehr in den Bundestag.
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hat die FDP ihren Erneuerungsprozess eingeleitet. Ein Parteitag in Berlin wählte den früheren Fraktionschef Christian Dürr mit 82 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Bundesvorsitzenden. Er löst Christian Lindner ab, der als Konsequenz aus dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Klausel bei der Bundestagswahl am 23. Februar das Amt aufgab. Auf Dürr, der ohne Gegenkandidaten antrat, entfielen 505 der 614 gültigen Stimmen. Es gab 82 Nein-Stimmen und 27 Enthaltungen.
Dürr soll die FDP bei der nächsten Wahl in vier Jahren wieder zurück in den Bundestag führen. Seine erste Bewährungsprobe wird aber schon im März kommenden Jahres die Landtagswahl in Baden-Württemberg sein, das die Liberalen als ihr Stammland ansehen.
Zu stellvertretenden Parteivorsitzenden wurden der frühere Vizepräsident des Bundestags, Wolfgang Kubicki (69 Prozent), die Europaabgeordnete Svenja Hahn (76 Prozent) und der nordrhein-westfälische FDP-Landesvorsitzende Henning Höne (76 Prozent) gewählt. Die Delegierten bestätigten zudem Bundesschatzmeister Michael Link im Amt (95 Prozent). Weitere wichtige Wahlen, vor allem die einer neuen Generalsekretärin, mussten auf Samstag verschoben werden, weil die Aussprache über Lindners Rechenschaftsbericht wesentlich länger als geplant gedauert hatte.
Dürr kündigte vor seiner Wahl an, er wolle ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten lassen und eine Reform der Strukturen und Prozesse in der FDP vornehmen. „Ich will, dass wir inhaltlich die modernste Partei in Deutschland sind. Ich will aber, dass wir auch organisatorisch die modernste Partei in der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Das neue Programm soll sich nicht auf das Grundsätzliche beschränken, sondern die liberalen Zielsetzungen und Überzeugungen in die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen übersetzen. Der Arbeitstitel könne „Freiheit konkret“ sein.
Dürr rief seine Partei auf, bei ihren Grundüberzeugungen Kurs zu halten. Bei der Wahl seien die Extreme die strahlenden Sieger gewesen, alle – auch die FDP – müssten sich daher hinterfragen. „Aber die Antwort kann nicht sein, dass man sämtliche Überzeugungen nach der Bundestagswahl über Bord wirft.“

In seiner mit fünfminütigem Beifall gefeierten Abschiedsrede attackierte Lindner die neue Bundesregierung und Kanzler Friedrich Merz (CDU). Es sei gut für Deutschland, dass es durch die Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung gegeben habe. „Paradoxerweise hat die Regierung Merz aber eine andere Richtung eingeschlagen, als die Wählerinnen und Wähler vorgegeben hatten“, sagte Lindner. „Die Wählerinnen und Wähler haben mehrheitlich gewählt: weniger Staat und mehr Freiheit. Geliefert wird jetzt: mehr Staat und mehr Schulden.“
Lindner sprach sich vehement gegen einen Kurswechsel als Reaktion auf die Wahlniederlage aus. „Manche raten uns, den Standort in der politischen Landschaft zu wechseln. Mein Rat ist das nicht“, sagte er. „Die Zukunft der FDP liegt nicht in einem Schwenk nach links oder rechts. Sie liegt in einer politischen und personellen Erneuerung.“
Auch der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann warnte vor einer Annäherung nach rechts. „Schon der Anschein, mit Rechtsextremisten zu kooperieren, beschädigt die Seele einer liberalen Partei. (…) Wer die FDP nach rechts führen will, der führt sie in den Untergang.“
Dürr sagte dazu, manche gäben der FDP jetzt den Ratschlag, sie solle mehr nach rechts rücken und „irgendwie konservativ werden“. Andere erklärten, der Wirtschaftsliberalismus habe sich längst überholt. „Diese Sirenenrufe – wir hören sie, aber wir folgen ihnen nicht.“
Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar nur 4,3 Prozent der Zweitstimmen geholt und ist seitdem nicht mehr im Bundestag vertreten. Dies war auch schon von 2013 bis 2017 der Fall. Damals hatte Lindner die Partei erst zurück in den Bundestag und dann 2021 in die Bundesregierung mit SPD und Grünen geführt, die aber vorzeitig zerbrach. Auch auf Landesebene sieht es schlecht für die Liberalen aus: Sie sitzen nur noch in 8 von 16 Landtagen.