Das politische Berlin macht Ferien, es herrscht Ruhe in der Hauptstadt. Eine Ausnahme bilden zwei Ampelpolitiker, die sich jetzt über grundsätzliche Fragen der Wirtschaftspolitik fetzen.
Wie umgehen mit der Wirtschaftsflaute? An dieser Frage hat sich mitten in der politischen Sommerpause ein neuer Streit in der Ampelkoalition entzündet. Die Akteure: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne).
Nachdem Djir-Sarai am Dienstag von Brantners Chef Robert Habeck (Grüne) bei t-online einen „Wirtschaftsturbo“ und Strukturreformen für mehr Wachstum gefordert hatte, schoss Brantner tags drauf zurück. „Wenn Deutschland mehr Schlagkraft erhalten soll, braucht es mehr Investitionen“, sagte sie t-online. „Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat gerade klar gezielte Sondervermögen vorgeschlagen, das unterstützen wir sehr.“ In diesem Fall dürfe „die FDP auch gern mal auf die Wirtschaft hören“.
Jetzt wiederum ist es erneut Djir-Sarai, der Brantners Worte so nicht stehen lassen will. „Mit der Forderung nach zusätzlichen unpräzisen und schuldenfinanzierten Sondervermögen missversteht das Wirtschaftsministerium den BDI gehörig“, sagte der FDP-General am Donnerstag t-online. Der BDI habe „ausdrücklich als ersten Schritt effektive Strukturreformen“ sowie „eine Konsolidierung der Ausgaben“ verlangt.
FDP habe „anderes Staatsverständnis als die Grünen“
Beim Bürokratieabbau, bei der Entlastung der Menschen und der Betriebe sowie der Begrenzung der Sozialausgaben liege „noch gewaltiges ungenutztes Potenzial“, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Djir-Sarai: „Frau Brantner und ihr Ministerium sollten alle Anstrengungen darauf verwenden, Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen, statt über immer neue Schuldenberge zu fantasieren.“
Die FDP habe an dieser Stelle ein „anderes Staatsverständnis als die Grünen“: „Für uns gibt es kein öffentliches Geld, das beliebig als Verteilungsmasse oder zur Tilgung unnachhaltiger Schulden und ihrer Zinsen eingesetzt werden kann. Es ist das Geld der Steuerzahler. Der Respekt verlangt es, damit vernünftig und klug umzugehen.“
Auslöser des ampelinternen Zanks sind die schwachen Wirtschaftsdaten, die in den vergangenen Tagen bekannt wurden. Am Dienstag teilte das Statistische Bundesamt mit, dass die deutsche Wirtschaft von April bis Juni wider Erwarten um 0,1 Prozent geschrumpft ist.
Zudem erklärte die Behörde, dass die Inflation im Juli überraschend auf nunmehr 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat leicht gestiegen ist. Am Mittwoch veröffentlichte dann die Arbeitsagentur die Arbeitslosenzahlen: Erstmals seit dem Corona-Sommer 2020 stieg die Arbeitslosenquote in einem Juli wieder auf 6,0 Prozent.
Die Ampel will der Wirtschaft mit einem ganzen Gesetzespaket, der „Wirtschaftsinitiative“, neuen Schwung verleihen. Insgesamt 49 Maßnahmen, darunter Steuersenkungen und Bürokratieabbau, sollen dazu führen, dass das Wirtschaftswachstum 2025 um 0,5 Prozentpunkte höher ausfällt als ursprünglich erwartet. Darauf haben sich die Ampelspitzen, Kanzler Olaf Scholz (SPD), Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP), im Zuge des Haushaltskompromisses geeinigt.
Dennoch tritt im Regierungsbündnis immer wieder ein wirtschaftspolitischer Richtungsstreit zutage, der sich auch an der Auseinandersetzung zwischen Djir-Sarai und Brantner zeigt: Die FDP will die Konjunktur durch weniger Regeln, geringere Steuern und Abgaben ankurbeln und über verbesserte Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die Firmen von sich aus mehr investieren und mehr Menschen einstellen.
Bei SPD und Grünen überwiegt derweil der Anteil derer, die Verfechter einer anderen Denkschule sind: Sie wollen durch gezielte staatliche Förderungen Investitionen bei Unternehmen hervorrufen und auch Ausgaben zur Modernisierung der Infrastruktur gern über neue Staatsschulden finanzieren. Auch der BDI sprach sich zuletzt dafür aus, entsprechende Sondervermögen über 400 Milliarden Euro aufzulegen, um in den nächsten zehn Jahren die nötigen öffentlichen Investitionen zu finanzieren.
Die Liberalen wiederum lehnen das ab. Während Grüne und SPD sehr offen für eine Reform der Schuldenbremse und auch fürs Erklären einer neuerlichen finanziellen Notlage zur Aufnahme von Extraschulden sind, hält die FDP an den Schuldenregeln fest und dringt auf Kürzungen an anderer Stelle im Haushalt, um die Notlage zu vermeiden.