In Aachen demonstrieren zahlreiche Menschen gegen den Rechtsruck in Gesellschaft und Politik. Neben Friedrich Merz gerät auch Armin Laschet in die Kritik.
In Aachen haben am Samstag bei zwei Demonstrationen insgesamt rund 3.600 Menschen gegen den Rechtsruck in Gesellschaft und Politik demonstriert. Anlass war wie in vielen Städten die gemeinsame Abstimmung der Abgeordneten von CDU, CSU, FDP und AfD im Bundestag.
Die Union hatte am Mittwoch mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik durchgesetzt. Ein Gesetzentwurf zur Begrenzung der Zuwanderung scheiterte jedoch am Freitag. Das breite gesellschaftliche Bündnis „Wir sind Aachen“ hatte dennoch am Samstag zu einer Demonstration auf dem „Platz für Demokratie“ aufgerufen. Begründung: „Die Brandmauer ist gefallen!“ Das Abstimmungsverhalten sei ein „historischer Dammbruch“ und mache den Weg frei für weitere Kooperationen, hieß es im Aufruf. Am Ende kamen am Samstagmittag rund 600 Menschen zusammen.
Unter ihnen war auch Norbert Greuel, der seit zehn Jahren in der „Bürgerstiftung Lebensraum Aachen“ aktiv ist und derzeit das Gestaltungsprojekt „Platz für Demokratie“ leitet. „Ich bin heute hier, weil ich entsetzt bin über das, was im Bundestag passiert ist“, sagte er t-online.
Vor allem vom Aachener CDU-Bundestagsabgeordneten Armin Laschet sei er sehr enttäuscht. „Er hat vor gut einem Jahr auf dem Katschhof [bei einer Kundgebung gegen den Rechtsruck] eine tolle Rede gehalten, in der er sehr deutlich gemacht hat, wie die Demokratie innerhalb von zwei Monaten von den Nazis abgeschafft werden konnte.“ Dass er bei beiden Abstimmungen mit „Ja“ gestimmt hat, habe Greuel „ziemlich entsetzt.“
Linus Offermann vom Organisationsteam von „Wir sind Aachen“, zugleich SPD- Lokalpolitiker, sagte t-online, es sei heute sehr wichtig zu zeigen, dass „wir alle ein Teil von der Brandmauer“ seien.
Mit ihren Kindern und selbst gemalten Plakaten waren die Demonstrantinnen Mareike und Katharina privat auf der Kundgebung. Sie sagten t-online: „Wir sind heute da, um unsere Demokratie zu verteidigen. Und auch für unsere Kinder, um ihnen eine hoffnungsvolle Zukunft zu ermöglichen. Ohne die Rechten.“
Für die beiden endete der Tag dagegen überraschend unschön. Auf einem Plakat ihrer Kinder war ein Monster gemalt, das wiederum ein Schild mit der Aufschrift „Fresst mehr Nazis“ hochhielt. Die Polizei bat während der Versammlung darum, das Plakat nicht mehr zu zeigen und leitete ein Prüfverfahren ein, um mit der Staatsanwaltschaft abzuklären, ob es strafrechtlich relevant sei. Im Raum soll dabei der Verdacht stehen, dass hier ein Aufruf zu einer Straftat vorliege.
Mehrere Rednerinnen und Redner kritisierten den Rechtsruck, Laschet und das Abstimmungsverhalten von Union und FDP. Auch wurden die Ängste von Menschen mit Migrationshintergrund geschildert, die sich aktuell aus dem Rechtsruck ergeben würden. Aus der Politik sprach die SPD-Abgeordnete Ye-One Rhie zu den Aachenern. Ihre Familie hat selbst Migrationsgeschichte und war vor vielen Jahren von einer Abschiebung nach Südkorea bedroht.
Demonstranten in Aachen: „Das ist ein Skandal“
Abends versammelten sich rund 3.000 Menschen auf dem Katschhof. Organisiert von den „Studis gegen Rechts Aachen“ und anderen Gruppen aus der linken Szene, waren neben vielen jungen Leuten auch wieder zahlreiche Familien mit Kindern und die „Omas gegen Rechts“ dabei. So auch Christiane aus Aachen, die lungenkrank ist und ein mobiles Sauerstoffgerät in ihrem Rucksack mitführt. Das halte sie nicht davon ab, dabei zu sein, sagte sie t-online. „Ich bin hier, weil ich die Situation unerträglich finde, dass die CDU gemeinsam mit der AfD diesen Dammbruch begangen hat. Das ist ein Skandal.“
Zwischen Dom und Rathaus brandete immer wieder Applaus auf, wenn Redner sagten, man sei jetzt die zivilgesellschaftliche Brandmauer. Buhrufe gab es dagegen, als das Vorgehen der Union in dieser Woche im Bundestag beschrieben wurde. Redner Dominik Mazgaj von den „Studis gegen Rechts“ sagte, man müsse jetzt handeln, denn die Brandmauer in der Politik sei gefallen. Wenn die Zivilgesellschaft jetzt nicht handele, sei es zu spät. Das Vorgehen von CDU-Chef Friedrich Merz erinnere ihn an die „konservativen Totengräber“ der Weimarer Republik.