Es ist eine Eins mit zwölf Nullen: eine Billion Euro. Um so viel wird sich Deutschland neu verschulden. Der Bundestag stimmt über die Grundgesetzänderung. Die Börse hat schon zuvor entschieden, was sie davon hält.
Wenn ich morgens zum Bahnhof fahre, komme ich über eine Bundesstraße, auf der vor ein paar Monaten ein Auto abgebrannt ist. Die Straße ist seitdem an der Stelle holprig und beschädigt, man muss 60 fahren. Jetzt, ein paar Monate nach dem Brand, wurde das Schild zur Geschwindigkeitsbegrenzung entfernt, der Straßenschaden hingegen nicht. Eine kleine Baustelle im Vergleich zu maroden Schienen, verfallenen Schulen und gesperrten Brücken. Allein von 130.000 Brücken gilt ein Drittel als sanierungsbedürftig. Investitionen tun not. Auch bei Bahn, Internet oder Stromleitung und -netzen.
Die Experten vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln haben ausgerechnet: Bis 2030 braucht es jährlich 100 Milliarden Euro an Investitionen, um Deutschlands Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Investitionen sind also ein Muss und dringender denn je. Doch wie finanzieren? Dazu kann man die Steuern erhöhen und die Ausgaben kürzen. Das will die neue Regierung nicht. Also heißt es Schulden machen. Heute soll der Bundestag dem Eine-Billion-Euro-Paket zustimmen.
Nun kommt es darauf an, was mit dem Schuldengeld passiert. Erstens: Es darf keine Wahlgeschenke geben. Das Geld muss in die Zukunft fließen, in sinnvolle Investitionen in die Infrastruktur. Nur das bringt Wachstum. Zweitens: Die Bürokratie muss abgebaut werden. Dazu noch einmal das IW Köln: 23 Jahre vergehen von der Vorplanung eines Schienenwegs, bis der Zug darauf rollt. Mehr als eine Generation dauert es, bis ein Infrastrukturprojekt umgesetzt ist. Unvorstellbar!
Die Kapitalmärkte reagierten ihrerseits gemischt auf das Schuldenpaket. Am Aktienmarkt ging es hoch her. Am Anleihenmarkt, sozusagen dem Schuldenbarometer, wuchs die Skepsis über Nacht.
Aktien von Rüstungsunternehmen setzen ihre Rally fort, kaum hatten CDU/CSU und SPD ihre Pläne ausgepackt. Diese Unternehmen erleben eine Sonderkonjunktur beziehungsweise Wachstumsphase. Aber nicht nur die. Für die deutsche Wirtschaft bringen Rüstungsinvestitionen, die von einem auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, rund 0,5 Prozentpunkte mehr Wirtschaftswachstum pro Jahr und 100.000 neue Arbeitsplätze. Das hat die Beratungsfirma Ey ausgerechnet. Hm.
Wenn man bedenkt, dass ein Unternehmen wie Rheinmetall zehn Milliarden Euro Umsatz im Jahr macht, Volkswagen hingegen 324 Milliarden Euro, möchte man meinen: Das Potenzial der Rüstungsindustrie, die deutsche Wirtschaft zu „retten“, sei begrenzt. Zumal die Unternehmen nach eigenem Bekunden schon am Limit produzieren und Arbeitskräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Die fehlen dann an anderen Stellen.
Doch es ist nicht die Rüstungsbranche allein, die Gewinner sein kann: Metall-, Bau- und Autoindustrie als Zulieferer dürften ebenfalls zu den Nutznießern der neuen Schulden gehören. Kapazitäten müssen aufgebaut werden. Die neuen Aufträge für Bau, Rüstung und andere Branchen – langersehnt – wollen umgesetzt werden. Das wird sich auch in höherem Wachstum niederschlagen. Je nachdem, wie optimistisch die Ökonomen des Landes sind, wird das unterschiedlich hoch ausfallen – aber immerhin Wachstum.
Neben den Rüstungsaktien waren Titel von Bauunternehmen die Kursgewinner: Heidelberg Materials oder Hochtief stiegen, kaum dass sich die Möglichkeiten für Investitionen des Staates konkretisiert hatten. Der Tiefbau als Profiteur. So weit zum Aktienmarkt.
Die Kehrseite der Medaille sehen wir da, wo Schulden bewertet werden: am Anleihenmarkt. Denn: Auf Sicht der nächsten zehn Jahre dürften die deutschen Staatsschulden von derzeit 64 auf rund 90 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, schätzen Ökonomen. Dieses Risiko machte sich sofort an den Kapitalmärkten bemerkbar: Kaum war das Sondervermögen und die teilweise Aussetzung der Schuldenbremse im Raum, sprangen die Renditen am Anleihenmarkt nach oben.