Der FC Bayern muss wohl in die Champions-League-Play-offs. t-online-Kolumnist Stefan Effenberg sieht sogar einen Vorteil – und wundert sich über Borussia Dortmund.
Durch das 0:3 bei Feyenoord Rotterdam hat der FC Bayern die Chance, die nächste Runde der Champions League direkt zu erreichen, höchstwahrscheinlich verspielt. Dass sie nun voraussichtlich in die Play-offs müssen, ist zwar unglücklich, aber dann eben unvermeidbar.
Ich erinnere mich an meine Rückkehr nach München 1998, als wir zu Saisonbeginn durch die Champions-League-Qualifikation mussten. Gegen FK Obilić aus Serbien setzten wir uns mit 4:0 und 1:1 durch. Trotzdem sind solche zusätzlichen Spiele immer unangenehm, ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt des Jahres. Aber ich sage es ganz deutlich: Da sollen mir keine Klagen aus der Mannschaft kommen wegen der Mehrbelastung. Es geht einzig und allein um das große Ziel „Finale daheim“, und wenn die Bayern das erreichen wollen, dann müssen sie diese Spiele nun mal gewinnen.
Es ist begrüßenswert, dass sich Joshua Kimmich nach dem 0:3 in Rotterdam so kritisch zum Auftritt der Mannschaft geäußert hat. Jedoch ist er als Kapitän natürlich mit hauptverantwortlich für die Leistung. Insgesamt passte das Ergebnis aber nicht zum Spiel – ähnlich wie bei unserer 0:3-Niederlage 2001 bei Olympique Lyon. Die hatten damals auch aus drei Chancen drei Tore gemacht.
Danach haben wir es voll abbekommen, von den Medien und besonders aber von Franz Beckenbauer in seiner legendären Bankettrede, als er von uns als der „Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft“ sprach. Wir haben uns danach richtig geschämt. Zurück in München habe ich mich dann vor die Mannschaft gestellt und gesagt: Das war ein einmaliger Ausrutscher, wir dürfen uns gar nichts mehr erlauben. Und das haben alle verstanden – danach gewannen wir nämlich alle restlichen Spiele und holten am Ende den Titel.
Und genau darin liegt jetzt auch meine Hoffnung für den weiteren Saisonverlauf der Bayern in der Champions League. Ich wage daher sogar die Behauptung: Vielleicht war die Niederlage vom Mittwoch das Beste, das Vincent Kompany und seiner Mannschaft passieren konnte. Denn dieses 0:3 in Rotterdam kann und muss für sie ein Weckruf sein wie für uns damals das 0:3 in Lyon. Es muss sie zum Reflektieren anregen. Daher hoffe ich, dass sich die Mannschaft dieses Ergebnis nun zu Herzen nimmt – sie darf sich keine weiteren Ausrutscher leisten. Das müssen sie nun endgültig verstanden haben.
Parallel dazu arbeiten die Bayern auch schon an ihrer Mannschaft für die kommende Saison und haben nun Tom Bischof von der TSG Hoffenheim verpflichtet. Diesen Transfer kann ich absolut nachvollziehen. Das ist ein hochtalentierter Spieler mit enormem Potenzial, der in München noch größere Schritte in seiner Entwicklung machen kann als in Hoffenheim. Ein Zeichen dafür ist ja auch, dass man ihm wohl zugesichert hat, Einsatzzeiten unter Kompany zu bekommen – eine spätere Leihe ist damit trotzdem nicht ausgeschlossen. Es liegt dann an ihm, dieses Vertrauen zu rechtfertigen und sich die Spielminuten zu verdienen.
Bischof ist der nächste junge Spieler in den Reihen der Bayern. Ich möchte da nicht von Umbruch sprechen, aber: Es ist zumindest ein bemerkenswertes Umdenken. Uli Hoeneß sagte einst: Der FC Bayern ist kein Ausbildungsverein. Das hat sich natürlich geändert. Jetzt legen sie im Gegenteil sogar ein Hauptaugenmerk darauf, junge Spieler weiterzuentwickeln – siehe Aleksandar Pavlović. Und natürlich spielt auch der Ertrag eine Rolle: Ein Profi, der nach München wechselt, steigert direkt seinen Marktwert, durch Einsätze noch weiter. Und wenn man dann zur Erkenntnis gelangt, dass es zu mehr doch nicht reicht, dann erzielt man bei einem eventuellen Weiterverkauf noch ein Plus.
An dieser Stelle möchte ich übrigens Leon Goretzka ein Kompliment aussprechen. Noch im Sommer hatte ich ihm an dieser Stelle dazu geraten, sich Gedanken über einen möglichen Abschied aus München zu machen – aber ihn gleichzeitig dafür gelobt, dass er den Konkurrenzkampf im Kader annahm. Auch durch die Verletzung von Pavlović war er dann zeitweise gesetzt, spielte auch zuletzt regelmäßig – das spricht für seinen Charakter. Jetzt zeigt sich noch mal: Ein Abschied im Winter, der ja auch mal im Gespräch war, wäre einfach fahrlässig vom Verein gewesen. So hätte ihnen in den kommenden entscheidenden Saisonwochen ein ganz wichtiger, gestandener Spieler im Mittelfeld gefehlt.