Ein Hausarzt soll nach dem Tod seines Patienten ein Grundstück bekommen – ist das erlaubt oder ein Verstoß gegen ärztliche Regeln? Der Fall landet vor dem höchsten Zivilgericht.
Ein älterer Patient stirbt – und überträgt zuvor noch sein Grundstück an den Hausarzt, der ihn jahrelang betreut hat. Was nach Dankbarkeit klingt, führt vor Gericht zu Streit. Denn: Dürfen Ärztinnen und Ärzte überhaupt Vermögen von ihren Patientinnen oder Patienten erben? Oder steht dem ein berufsrechtliches Zuwendungsverbot entgegen?
Mit genau dieser Frage befasst sich das höchste Zivilgericht in Karlsruhe (IV ZR 93/24) Anfang Juli. Im Kern geht es um die Wirksamkeit einer sogenannten Zuwendung von Todes wegen – also einer testamentarischen Verfügung – zugunsten des behandelnden Hausarztes.
Drohen Ärzten künftig neben einem Erbstreit auch berufsrechtliche Maßnahmen der Ärztekammer, wenn sie von ihren Patientinnen oder Patienten im Testament bedacht werden? Diese Entscheidung könnte richtungsweisend für viele vergleichbare Fälle sein.
Der rechtliche Streit, den der Bundesgerichtshof (BGH) nun klären muss, hat seinen Ursprung im Jahr 2015. Damals begann ein Hausarzt, einen älteren Patienten medizinisch zu betreuen. Im Januar 2016 unterzeichneten beide gemeinsam mit einer Pflegerin und deren Tochter vor einem Notar eine Vereinbarung. Der Titel: „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“.
Darin verpflichtete sich der Arzt zu umfangreichen Leistungen: medizinischer Beratung, regelmäßigen Hausbesuchen, telefonischer Erreichbarkeit sowie Betreuung im häuslichen Umfeld. Im Gegenzug sollte er nach dem Tod des Patienten ein Grundstück aus dessen Vermögen erhalten – so sah es die notarielle Vereinbarung vor.
Wenig später, im März 2016, erstellte der Erblasser zusätzlich ein Testament. Darin setzte er die Pflegekraft – nicht den Arzt – als Alleinerbin für das übrige Vermögen ein. Als der Patient im Januar 2018 starb, nahm die Pflegekraft den Nachlass in Besitz, einschließlich des Grundstücks.
Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Arztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte daraufhin von der Pflegekraft, das Grundstück an die Insolvenzmasse herauszugeben – schließlich sei es dem Arzt 2016 durch eine notarielle Vereinbarung versprochen worden.
Ziel der Klage des Insolvenzverwalters ist nicht, dass der Arzt das Grundstück zurückgeben soll, sondern dass die Pflegekraft ein Grundstück besitzt, das nach Meinung des Klägers rechtlich dem Arzt zustand – und damit zur Insolvenzmasse gehört. Der Insolvenzverwalter will also einen potenziellen Vermögenswert für die Gläubiger sichern.
Ob diese Zuwendung an den Arzt überhaupt wirksam war, ist der zentrale Streitpunkt. Denn wenn sie gegen ein berufsrechtliches Zuwendungsverbot verstößt, könnte sie gemäß § 134 BGB nichtig sein – dann hätte der Arzt nie einen Anspruch auf das Grundstück gehabt. In dem Fall dürfte die Pflegekraft es rechtmäßig behalten.
Rechtlich ist der Fall besonders heikel, weil sich hier zwei Grundprinzipien gegenüberstehen: Einerseits dürfen Patienten grundsätzlich frei entscheiden, wem sie ihr Vermögen hinterlassen – das nennt sich Testierfreiheit. Andererseits verbietet die Berufsordnung der Ärzte, Geschenke oder andere Vorteile von Patienten anzunehmen.
Grund hierfür ist § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer. Darin ist es Ärztinnen und Ärzten untersagt, von Patientinnen und Patienten Geschenke oder andere Vorteile anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, dass ihre ärztliche Unabhängigkeit beeinflusst werden könnte.
Verstöße dagegen gelten berufsrechtlich als Verfehlung – sie können aber auch zivilrechtliche Folgen haben. So entschied etwa das Oberlandesgericht Hamm, dass eine auf Gegenleistung beruhende Zuwendung gegen dieses Zuwendungsverbot verstoße und somit gemäß § 134 BGB nichtig sei (Az. I-10 U 14/24).
§ 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besagt, dass ein Rechtsgeschäft unwirksam ist, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
Allerdings gibt es kein generelles Verbot für die testamentarische Erbeinsetzung von Ärzten. Nicht jede Zuwendung ist automatisch rechtswidrig. Das zeigt der Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 21 W 91/23): Hier wurde ein Arzt von einer Patientin testamentarisch als Miterbe eingesetzt – ohne vertragliche Gegenleistung.
Das Gericht hielt die Zuwendung für zulässig, da die Testierfreiheit Vorrang habe und das berufsrechtliche Verbot nicht automatisch zur Unwirksamkeit führe. Entscheidend sei, dass die Berufsordnung nicht den Erblasser binde, sondern nur das Verhalten des Arztes reguliere.