Sie war die erste Frau in der „Tagesschau“, prägte das Nachrichtenflaggschiff über Jahrzehnte: Dagmar Berghoff. Doch dabei erlebte sie auch Übergriffigkeiten.

Sie wurde als „Miss Tagesschau“ berühmt, moderierte ab 1976 insgesamt 23 Jahre lang die Nachrichtensendung im Ersten. Doch Dagmar Berghoffs Karriere bei der ARD begann mit einer Anekdote, die aufhorchen lässt. Die Ex-„Tagesschau“-Sprecherin enthüllt nun in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Eines Morgens, ich moderierte gerade eine Radiosendung im NDR, rief Karl-Heinz Köpcke an, der damalige Chefsprecher der ‚Tagesschau'“, erzählt Berghoff und fügt dann an: „Er sagte: ‚Sie haben ja eine ganz angenehme Stimme. Sehen Sie denn auch einigermaßen aus?'“

Eine sexistische Frage, doch nicht die einzige Unverschämtheit. Berghoff sagt: „Die ‚Tagesschau‘ war damals eine reine Männerdomäne. Köpcke hatte den Auftrag, eine Frau zu suchen, weil das ZDF mit Wibke Bruhns bereits eine Nachrichtensprecherin hatte. Dem wollte die ARD nicht nachstehen.“

Ende der Achtziger erlebte Berghoff sexuellen Übergriff

Köpcke habe eigentlich gar keine Frau gewollt, er hegte Vorurteile, so Berghoff: „Köpcke war damals der Meinung, dass Frauen keine Nachrichten verlesen könnten: Bei traurigen Meldungen würden sie sofort in Tränen ausbrechen, von Wirtschaft hätten sie eh keine Ahnung, und von Sport – um Himmels willen! Sie würden Schalke 08 sagen, ohne es zu merken.“

Unangenehme Erfahrungen, die später noch übertroffen werden sollten. Dagmar Berghoff bricht in dem Gespräch mit der „SZ“ erstmals ihr Schweigen und berichtet von einem sexuellen Übergriff, den sie Ende der Achtziger erlebte: „Einmal saß ein berühmter ARD-Korrespondent neben mir und hat mir immerzu über den Rücken gestreichelt und irgendwann an meiner BH-Schnalle herumgefummelt.“

Die damalige „Tagesschau“-Sprecherin habe sich „lachend weggedreht“ und den Mann nicht in die Schranken gewiesen. „Ich habe versucht, mich mit Charme aus der Situation herauszuwinden. Ich hielt das für die bessere Methode, als vor allen Anwesenden zu sagen: ‚Na, hören Sie mal!'“

Dagmar Berghoff und Dieter Wedel: „Ich war nicht dabei“

In den Siebzigerjahren war Berghoff auch drei Jahre lang mit Dieter Wedel liiert. Dem inzwischen verstorbenen Filmregisseur wurden später von mehreren Frauen Missbrauchsvorwürfe gemacht. Darauf angesprochen sagt Dagmar Berghoff: „Ich war nicht dabei, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Dieter Wedel es nötig hatte, eine Frau mit Gewalt ins Bett zu kriegen. Er konnte sich vor Avancen kaum retten. Die Vorwürfe gegen ihn haben ihn schwer beschädigt. Er wurde zum Schluss wie ein Aussätziger behandelt. Das tat mir leid für ihn.“

Dennoch finde sie es richtig, dass „Frauen öffentlich über sexuelle Übergriffe reden“. Berghoff betont: „Es ist schlimm, was manche erlebt haben.“ Ihre Einschränkung in dieser Hinsicht gilt der Art und Weise, beziehungsweise dem Zeitpunkt, dieser Verlautbarungen: „Wenn sie das erst 20, 30 Jahre später auf den Tisch bringen, finde ich das zu spät.“, so die heute 81-Jährige.

Im Jahr 2018 erhoben mehrere Frauen im Magazin der „Zeit“ verschiedene Vorwürfe gegen Dieter Wedel. Der Filmemacher soll sie in den Achtziger- und Neunzigerjahren bedrängt haben und in einem Fall zum Sex gezwungen haben. Wedel bestritt die Vorwürfe bis zu seinem Tod im Juli 2022.

Aktie.
Die mobile Version verlassen