Der kommende Klimagipfel soll den Amazonas in den Mittelpunkt stellen. Doch für den Gipfel muss jetzt erst einmal Regenwald weichen. Ist die weltweite Aufregung gerechtfertigt?
Brasiliens Regierung hat einen Klimagipfel „im Amazonasgebiet, nicht über das Amazonasgebiet“ versprochen: Vom 10. bis zum 21. November findet in der Millionenstadt Belém die COP30 statt, die Vorbereitungen für die Konferenz sind in vollem Gang – und sorgen nun für internationale Schlagzeilen. Auf der ganzen Welt berichten Medien, weil im Vorfeld des Gipfels gerade Regenwald in eigentlich geschütztem Gebiet abgeholzt wird.
Es entsteht eine vierspurige Zufahrtsstraße. „Alles wurde zerstört“, erklärte ein empörter Anwohner der britischen BBC im Angesicht der Bagger. Die Ernte sei bereits eingebrochen. „Für uns, die wir am Rande der Autobahn wohnen, gibt es keine Vorteile“, klagte er. Für seine Gemeinde gebe es keinen Anschluss an die Straße, da sie auf beiden Seiten von Mauern umgeben sein werde. Die Autobahn zerschneide den Wald in zwei getrennte Gebiete.
Auch Umwelt- und Tierschützer sind irritiert. „Ab dem Moment der Abholzung entsteht ein Verlust“, zitierte die BBC Silvia Sardinha, eine Tierärztin und Universitätsprofessorin, die mit ihrem Team verletzte Wildtiere pflegt und dann wieder auswildert.
Die Straße wird den Namen Avenida Liberdade tragen, Allee der Freiheit. Nicht alle verurteilen den Bau. Der Gouverneur des brasilianischen Bundesstaates Pará sprach von einem wichtigen Infrastrukturprojekt für die Stadt. Schon im Jahr 2012, lange bevor Brasilien sich für die COP30 beworben hat, gab es erste Pläne.
Aus Umweltschutzgründen wurde die Autobahn jedoch immer wieder ad acta gelegt. Nun soll ihr Bau möglichst „nachhaltig“ vonstattengehen, es soll unter anderem Wildtierübergänge und Solarbeleuchtung geben. Pünktlich zum Klimagipfel soll die Strecke fertig sein. Es geht um insgesamt 13,3 Kilometer mit zwei Spuren in jede Richtung.
Im Vergleich zu der Fläche des Regenwaldes, die in den vergangenen Jahrzehnten abgeholzt wurde, ist das verschwindend gering. 20 Prozent der Gesamtfläche sind Schätzungen zufolge bereits zerstört worden. Während der Amtszeit des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro (2019 bis 2022) nahmen Abholzungen und Brandrodungen zu. Der Ex-Militär sah die Region vor allem als ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und ließ Farmern und Goldschürfern bei der Landnahme weitgehend freie Hand.
Der Amazonas-Regenwald gilt als CO₂-Speicher und hat eine wichtige Funktion im internationalen Kampf gegen den Klimawandel. Zu den Hauptgründen für seine Abholzung zählt der Hunger nach Fleisch: Im Regenwald sind riesige Weideflächen für Rinder entstanden, außerdem wird Soja zur Tierfutterproduktion angebaut.
Der aktuelle brasilianische Präsident, der Linke Luiz Inácio Lula da Silva, will die Entwaldung stoppen und bis 2030 auf null senken. Erste Erfolge konnte er bereits verzeichnen: Zuletzt schätzte das brasilianische Umweltministerium, dass von August 2023 bis Juli 2024 rund 6.300 Quadratkilometer Amazonasgebiet gerodet worden seien, so wenig wie seit neun Jahren nicht mehr.