Bitcoin polarisiert: Revolutionäres Wertaufbewahrungsmittel oder riskantes Spekulationsobjekt? Eines ist Bitcoin jedenfalls nicht: Kunst – sagt eine Krypto-Expertin.
Kaum ein Finanzthema polarisiert so sehr wie Bitcoin: Die einen sehen darin die Zukunft des Finanzwesens, andere halten es für ein reines Spekulationsobjekt. Johanna Belitz, Krypto-Expertin und Finanzstrategin beim Krypto-ETP Anbieter Valour, erklärt exklusiv im Gespräch mit t-online, warum sie Bitcoin für eine Revolution hält, was ihn von Gold unterscheidet und ob Regierungen bald auf den digitalen Wertspeicher setzen.
t-online: Bitcoin sei doch nur ein Spekulationsobjekt, sagen neben Wissenschaftlern auch einige Investoren. Was entgegnen Sie Kritikern, die das behaupten?
Johanna Belitz: Bitcoin wird oft missverstanden. Natürlich gibt es spekulative Elemente, doch das gilt für fast jedes Finanzinstrument. Aktien, Immobilien, Gold – all das unterliegt Marktschwankungen. Der entscheidende Unterschied ist: Bitcoin ist dezentral, transparent und sein Angebot ist auf 21 Millionen Coins begrenzt. Keine Zentralbank kann ihn nachdrucken, keine Regierung ihn kontrollieren. Gerade diese mathematische Knappheit macht ihn zu einem einzigartigen Wertspeicher, der sich von traditionellen Finanzmärkten abhebt.
Valour Inc., eine Tochtergesellschaft von DeFi Technologies Inc., wurde 2019 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Toronto, Kanada. Das Unternehmen emittiert börsengehandelte Produkte (ETPs), die privaten und institutionellen Anlegern den Zugang zu digitalen Vermögenswerten wie Bitcoin ermöglichen. Valour verwatet ein Vermögen von rund 1,07 Milliarden CAD (750 Millionen USD).
Könnte man sagen, dass ein Bitcoin bald so etwas wie ein Gemälde von Picasso sein wird, zumindest was den Wert betrifft? Picassos Zeichnung „Femme et jeune Garçon nus“ wurde angeblich für rund 2,5 Millionen Euro bei Christie’s verkauft.
Der Vergleich mit Kunst hakt gewaltig. Bitcoin ist weit mehr als ein seltenes Sammlerstück – es steht für eine Revolution in den Bereichen Geld, digitales Eigentum und finanzielle Zugänglichkeit.
Ein Gemälde von Picasso ist immerhin greifbar und erfreut seinen Besitzer, wenn es die Wand im Haus dekoriert.
Ein Gemälde ist ein statisches Sammlerstück, dessen Wert subjektiv ist. Bitcoin hingegen ist ein lebendiges, sich stetig weiterentwickelndes Netzwerk, das als Zahlungsmittel und als Wertspeicher funktioniert. Zudem ist er global handelbar, in Sekunden übertragbar und durch die Blockchain sicher verifiziert. Kunstwerke können gestohlen werden oder verfallen – Bitcoin hingegen ist durch seine digitale Natur gegen physische Risiken immun.
Was passiert, wenn es einen weltweiten Stromausfall gibt? Bitcoin braucht ja im Gegensatz zu einem Gemälde Strom.
Diese Frage taucht oft auf. Ein massiver Stromausfall würde aber nicht nur Bitcoin, sondern das gesamte Finanzsystem treffen. Banken, Geldautomaten, Kartenzahlungen – alles wäre betroffen. Bitcoin ist jedoch widerstandsfähiger als viele denken: Es gibt dezentrale Nodes [Anm. d. Red.: Netzwerkknoten] weltweit, Transaktionen können über Satelliten und alternative Netzwerke gesendet werden. Sollte es wirklich zu einem globalen Blackout kommen, wären Finanzsysteme unser kleinstes Problem. Dann würden wir über Tauschhandel reden, nicht über Bitcoin.
Kritiker sagen, dass Bitcoin von einigen wenigen Großinvestoren beeinflusst wird, indem sie Millionen Dollar investieren und den Markt leerkaufen. Lässt sich Bitcoin so besser kontrollieren?
Die Vorstellung, dass eine kleine Gruppe Bitcoin kontrolliert, ist ein Irrtum. Der größte Bitcoin-Besitzer, Satoshi Nakamoto, hat seit über einem Jahrzehnt keine Coins bewegt. Zudem gehören viele der größten Wallets institutionellen Verwahrstellen, Fonds oder Börsen – nicht einzelnen Personen, die den Markt steuern könnten.
Natürlich beeinflussen Prominente wie Elon Musk oder Michael Saylor die Marktstimmung, aber sie kontrollieren nicht das Netzwerk. Im Gegensatz zu Fiat-Währungen, die von Zentralbanken gesteuert werden können, basiert Bitcoin auf festen mathematischen Regeln, die niemand ändern kann – keine einzelne Person, kein Unternehmen und keine Regierung dieser Welt.
Anders gefragt: Wie kann Bitcoin fair sein, wenn einige wenige viele besitzen und viele gar keinen?
Wollen Sie andeuten, dass Bitcoin zwangsweise umverteilt werden sollte? Satoshi Nakamoto hat Bitcoin nicht mit der Idee einer erzwungenen Gleichverteilung entworfen. Bitcoin ist genehmigungsfrei und offen für alle, ohne Diskriminierung nach Vermögen, Nationalität oder Status. Jeder konnte und kann Bitcoin minen oder kaufen – ohne staatliche Verteilung oder zentrale Kontrolle.
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Die Besitzverhältnisse spiegeln wider, wer den Wert früh erkannt und akkumuliert hat. Während traditionelle Finanzsysteme von Zentralbanken gesteuert werden, folgt Bitcoin festen, transparenten Regeln. Obwohl kein Geldsystem absolute Gleichheit schaffen kann, bietet Bitcoin gleiche Ausgangsbedingungen: Niemand hat Sonderrechte, niemand kann mehr drucken, und niemand kann die Regeln zu seinem Vorteil ändern.