Sollten Beamte und Selbstständige künftig in die gesetzliche Rente einzahlen? Sozialministerin Bärbel Bas hat eine Debatte angestoßen. Diese war notwendig, finden Experten des DIW.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue schwarz-rote Bundesregierung vereinbart, eine Rentenkommission einzusetzen, um die Zukunft des Alterssicherungssystems zu untersuchen. Zwar fehlen detaillierte Angaben zur Zusammensetzung und zum konkreten Auftrag der Kommission. Doch die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits einen Vorschlag eingebracht.
Bas plädiert dafür, auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, um die Einnahmen zu erhöhen. Denn die Rentenkasse gerät absehbar unter Druck, wenn jetzt die großen Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen.
Die Debatte um diese Reform ist wichtig und sollte besser früh als spät geführt werden. Schon jetzt zeichnen sich kontroverse Positionen ab – von der Einschätzung, dies sei ein notwendiger Schritt zur Stabilisierung des Rentensystems. Bis hin zur Kritik, es handle sich um ein Nullsummenspiel oder gar durch die Einbeziehung der Gruppen um die Illusion eines Schneeballsystems. Angesichts der vielen beteiligten Interessengruppen und der komplexen ökonomischen Zusammenhänge gibt es erheblichen Interpretationsspielraum.
Eine Einbeziehung neuer Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung führt zunächst zu zusätzlichen Einnahmen im Umlageverfahren, da aus diesen Gruppen selbst noch niemand eine Rente bezieht. Dieser sogenannte „Einführungsgewinn“ könnte die Rentenkassen über Jahrzehnte entlasten, da es lange dauert, bis neue Rentenanwartschaften aufgebaut sind.
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Diese Entlastung würde über die Mitte des Jahrhunderts hinausreichen und könnte ein wichtiger Baustein sein, um den finanziellen Druck infolge des demografischen Wandels abzufedern. Zwar werden langfristig auch steigende Ausgaben anfallen, doch deren Umfang lässt sich heute nur schwer abschätzen – ähnlich, wie es 1975 schwierig gewesen wäre, die Herausforderungen des Jahres 2025 präzise vorherzusagen.
Hermann Buslei ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Johannes Geyer ist stellvertretender Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin.
Peter Haan ist Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin und Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der Freien Universität Berlin.
Jede Gruppe, die einbezogen werden soll, bringt eigene Besonderheiten und Herausforderungen mit, die beachtet werden müssen.
Selbstständige: Bei Selbstständigen ohne obligatorische Alterssicherung besteht eine Versicherungslücke. Ohne Pflichtversicherung sparen viele zu wenig für das Alter und könnten später auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sein – ein Risiko, das die Solidargemeinschaft trägt. Eine Pflichtversicherung könnte nicht nur die Rentenkasse stabilisieren, sondern auch das soziale Sicherungssystem entlasten. Schätzungen zufolge könnte dies die Rentenbeiträge langfristig um bis zu einem Beitragspunkt senken. Ohnehin ist zu fragen, warum es gerade diese Gruppe ist, die keinem Versicherungszwang unterworfen ist. Immerhin mutet man dies allen anderen Erwerbstätigen zu.
Beamten: Hier ist die Lage komplexer. Beamtinnen und Beamte stehen in einem besonderen Dienstverhältnis, das ihnen ein finanziell abgesichertes Berufsleben garantiert. Eine Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung würde steuerfinanzierte Beiträge zur Rentenkasse bedeuten und damit eine Verbesserung für die Rentenversicherung – eine Umlagerung der Kosten, die insgesamt aber wenig am staatlichen Finanzierungsbedarf ändern würde. Zudem wäre eine Reduktion der Pensionsansprüche politisch und rechtlich schwierig umzusetzen. Der Staat kann bei den Beamten also nur wirklich sparen, wenn er auch die Absicherung reduzieren würde.
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Ein pragmatischer Ansatz wäre, künftig weniger Berufsgruppen zu verbeamten. Stattdessen könnten mehr Beschäftigte als Angestellte arbeiten, ähnlich wie es Österreich bereits umgesetzt hat. Dort wurde das Beamtenrecht reformiert, die Zahl der hoheitlichen Tätigkeiten reduziert und die Pensionsregelungen an das allgemeine Rentensystem angeglichen. Das hat die öffentlichen Pensionsausgaben spürbar entlastet.
Auch in Deutschland könnte eine solche Reform die Rentenversicherung stärken, wobei der Effekt wegen der in Deutschland bedeutsameren Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst geringer ausfallen dürfte. Dabei müsste der Übergang schrittweise erfolgen, etwa indem nur neu eingestellte Staatsbedienstete weniger häufig verbeamtet werden. Langfristig würden dann Beamte und Angestellte ähnliche Versorgungsansprüche haben, was dann aber eine Verschlechterung für viele Beamte bedeuten würde. Der Effekt wäre zwar geringer als bei einer vollständigen Abschaffung des Beamtenstatus, aber immer noch spürbar.
