Die scheidende Außenministerin Annalena Baerbock verzichtet auf den Fraktionsvorsitz der Grünen im Bundestag – aus familiären Gründen. Aber ist ihr Abschied aus der ersten politischen Reihe endgültig?
Die vergangenen Jahre waren eine schwere Belastungsprobe, auch für viele Regierungsmitglieder. Krisen, Kriege, Katastrophen – ruhigere Fahrwasser sind in der internationalen Politik nicht in Sicht. Eher sorgt US-Präsident Donald Trump aktuell für das genaue Gegenteil.
Deshalb ist diese Legislatur auch für die scheidende Außenministerin Annalena Baerbock mit besonders großen Belastungen verbunden gewesen. Sie reiste in die Ukraine, warb für mehr internationale Hilfe für das von Russland angegriffene Land. Oft war sie auch im Nahen Osten und setzte sich für eine Freilassung der von der Hamas entführten israelischen Geiseln und für eine bessere humanitäre Versorgung der Menschen im Gazastreifen ein.
Wie erfolgreich die deutsche Außenpolitik in dieser Zeit war, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch kaum bewerten. Nur eines liegt auf der Hand: Die deutsche Außenministerin steht im Sturm – und dieser hat schon deutliche Spuren hinterlassen.
Einerseits ist das ein schmerzvolles Eingeständnis. Andererseits muss Baerbocks Abschied aus der ersten politischen Reise nicht endgültig sein.
Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der Bundestagswahl geht es für die Grünen auch darum, ihren inhaltlichen Kurs neu zu justieren. Neben dem Vizekanzler und Kanzlerkandidaten Robert Habeck gehört Baerbock nicht nur zu den Galionsfiguren der Partei, sondern beide schoben die Partei auch inhaltlich weiter in Richtung der politischen Mitte. Die Strategie dahinter: Die Grünen sollten auch Wählerinnen und Wähler ansprechen, die vormals die CDU unter Angela Merkel gewählt haben. Und sie wollten ihre Partei anschlussfähiger machen, um auf Bundesebene mit der Union regieren zu können.
All das ging zumindest bei dieser Bundestagswahl schief, und nach nur 11,6 Prozent Zustimmung diskutieren die Grünen nun über Konsequenzen. Vertreter des linken Parteiflügels fordern unter Verweis auf Verluste an die Linkspartei eine liberalere Migrationspolitik und einen stärkeren Fokus auf soziale Themen. Realos hingegen betonen, dass gerade Habeck mit dem Mitte-Kurs der Partei noch im Wahlkampf einen Mitgliederboom beschert habe. Schließlich seien die Grünen nicht so schlimm abgestraft worden wie andere Ampelparteien.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich – wie so oft – irgendwo in der Mitte. Die Verantwortung für das Ergebnis übernahm trotzdem Habeck, der bereits kurz nach der Wahl angekündigt hatte, keine Führungsrolle in der Partei anstreben zu wollen.
Baerbock dagegen ließ sich diese Frage zunächst offen. Noch am Wahlabend war sie als wahrscheinliche neue Grünen-Fraktionschefin gehandelt worden, neben der amtierenden Katharina Dröge vom linken Flügel. Aus Kreisen der Grünen hieß es, dass Baerbock zugreifen müsse, wenn sie das Amt wolle. Sie tat es nicht, und nun dürften Dröge und ihre Co-Vorsitzende Britta Haßelmann, die gerade erst kommissarisch im Amt bestätigt wurden, die Fraktion gemeinsam weiter führen.