Lawrow gilt in der internationalen Diplomatie als Silberrücken. Er ist schon mehr als 20 Jahre im Amt und dafür bekannt, dass er Politik gerne in Hinterzimmern mit Zigarren und Whiskey bespricht. Eine Welt, mit der Baerbock bis dahin wenig Berührungspunkte hatte. Aus Lawrows Perspektive kam eine junge Frau nach Moskau, die er zunächst einmal über die diplomatischen Gepflogenheiten belehrte, nachdem die Außenministerin Wodka abgelehnt hatte. Baerbock soll erwidert haben, dass sie derartige Härtetests nicht brauche. Sie habe zwei Kinder zur Welt gebracht.
Ihre Unnachgiebigkeit in Russland verschaffte ihr Respekt. Baerbock musste aber auch in Moskau erstmals erfahren, dass sie in bilateralen Gesprächen auch belogen werden kann. Schließlich hatte Lawrow mehrfach versichert, dass Russland kein Interesse daran habe, die Ukraine anzugreifen. Eine Lüge, die schon einen Monat später offensichtlich werden sollte.
Der russische Überfall auf die Ukraine war das erste prägende Ereignis von Baerbocks Amtszeit. Schon hier offenbarte sich ihr neuer diplomatischer Stil: Die Außenministerin zeigte Gefühle, beschrieb öffentlich, wie ihr das Kriegsleid in der Ukraine nahegeht. Das förderte vor allem bei Verbündeten das Vertrauen. Obwohl sie anfangs noch die Lieferung schwerer Waffen infrage stellte, führten mehrere Besuche in der Ukraine dazu, dass die Außenministerin vergleichsweise schnell ihre Meinung revidierte – viel früher als Bundeskanzler Olaf Scholz.
Der Krieg veränderte nicht nur Baerbocks Grundhaltung mit Blick auf sicherheitspolitische Fragen, sondern auch die einer Mehrheit bei den Grünen.
Baerbock galt auch deshalb von Anfang an als undiplomatische Diplomatin. Sie warb nicht nur für mehr militärische Unterstützung für die Ukraine, sondern forderte von ihren Auslandsvertretungen auch, öffentlich sichtbarer zu werden und in Wertefragen Stellung zu beziehen. Ihre Kritiker werfen ihr vor, dass das nicht die Aufgabe deutscher Diplomatie sei. Der kommende Bundeskanzler Friedrich Merz kritisierte etwa im Bundestag: „Deutschland braucht keine moralisierende Außenpolitik.“