Die Corona-Pandemie hat Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Die Ampel will die damalige Politik aufarbeiten. Doch schafft sie das noch?
Die Ampelfraktionen sind sich nach wie vor nicht einig darüber, wie sie die Corona-Politik aufarbeiten wollen. Schon im vergangenen Juni hatten sich SPD, Grüne und FDP im Bundestag grundsätzlich darauf verständigt, sich noch einmal mit der Pandemiezeit befassen zu wollen. Damals war das Ziel, sich noch vor der Sommerpause zu einigen. Doch auch nach den Parlamentsferien diskutieren die Fraktionen noch über den Weg.
Dabei sind sich die Koalitionäre inzwischen einig, dass eine Aufarbeitung der einschneidenden Politik während der Pandemie wichtig ist. Eine „transparente, gründliche und umfassende Analyse der Corona-Maßnahmen“ sei von „entscheidender Bedeutung“, sagte etwa der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, t-online. Sonst bestehe die Gefahr, dass „eine gesellschaftliche Heilung ausbleibt“.
Bei der Frage, wie diese umfassende Analyse aussehen soll, gehen die Meinungen jedoch auseinander. „Wir brauchen eine Enquete-Kommission“, sagte FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann. Sie würde vom Bundestag eingesetzt, bestünde aus Abgeordneten sowie Experten aus Wissenschaft und Praxis und würde einen Abschlussbericht vorlegen.
Die FDP hat sich auf die Enquete festgelegt, die vielen als eine Art Untersuchungsausschuss light gilt. „Alle anderen Optionen oder Ideen sind nicht zielführend oder können allenfalls ergänzend eingesetzt werden“, sagte Ullmann. Nur eine Enquete-Kommission gewährleiste sachliche Aufarbeitung, beachte aber auch die politische Verantwortung.
Die SPD hingegen lehnt bisher eine Enquete-Kommission ab. „Die Corona-Aufarbeitung darf kein Tribunal gegen einzelne Minister werden“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Marianne Schieder, t-online. „Es muss darum gehen, nüchtern zu untersuchen, welche der damaligen Entscheidungen richtig oder welche aus heutiger Sicht nicht richtig waren.“
Die Sorge der SPD: Eine Enquete könnte die Aufarbeitung ähnlich wie ein Untersuchungsausschuss zum politischen Wettbewerb machen. „Ein Bürgerrat wäre ein sinnvolles Verfahren, um die Bürgerinnen und Bürger an der Corona-Aufarbeitung zu beteiligen“, sagte Schieder, die auch Vorsitzende der Berichterstattergruppe Bürgerrat im Bundestag ist. „Bei einer Enquete-Kommission, wie sie die FDP vorschlägt, ist das nicht der Fall.“
Die Grünen drängen derweil vor allem darauf, dass es endlich losgeht. „Wenn es jetzt nicht gelingt, ist das Zeitfenster für diese Legislaturperiode verstrichen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink t-online. „Wir haben kein Verständnis dafür, dass es an dieser Stelle in der Koalition immer noch Blockaden gibt.“
Bei der Art und Weise sind die Grünen offensichtlich flexibel. „Wir haben die Einsetzung eines Bürgerrates ebenso befürwortet wie eine Bund-Länder-Enquete, bei der die Länder paritätisch mit am Tisch sitzen, und seit Monaten darauf gedrängt, dies endlich in Angriff zu nehmen“, sagte Klein-Schmeink.
Die Aufarbeitung der Pandemiepolitik war zuletzt durch einen Vorstoß der Wagenknecht-Partei BSW auf die Agenda gekommen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat einen Antrag für einen Corona-Untersuchungsausschuss im Bundestag formuliert, für den sie auch Stimmen der AfD in Kauf nehmen würde, wie t-online berichtete.
Der Antrag könnte diese Woche im Parlament diskutiert werden. Es gibt aber keine realistischen Chancen, dass dadurch ein Corona-Untersuchungsausschuss zustande kommt. Dafür müsste mindestens ein Viertel der 733 Abgeordneten im Bundestag stimmen, also 184. Das BSW selbst hat nur zehn, die AfD hat 77 Abgeordnete.
Doch auch in der Ampelkoalition soll in dieser Woche intern erneut über die Corona-Aufarbeitung diskutiert werden. Und noch geben sich die Fraktionen optimistisch, dass es etwas werden könnte mit der Aufarbeitung.