Neues Werk der Altkanzlerin
So scharf ist die Kritik an Merkels Memoiren
27.11.2024 – 16:24 UhrLesedauer: 3 Min.
Angela Merkel hat ihre Memoiren vorgestellt. Darin findet sich zu wenig Selbstkritisches, befinden gleich mehrere Kritiker.
Es kommt nicht oft vor, dass die Autobiografie einer Politikerin mit dem Werk von Franz Kafka verglichen wird. Doch genau diesen Vergleich zieht der Autor Navid Kermani in seiner Rezension von Angela Merkels „Freiheit“ in der Wochenzeitung „Zeit“. Doch sein Fazit fällt ambivalent aus.
Angela Merkel hat ihre Memoiren zusammen mit ihrer engsten Mitarbeiterin Beate Baumann verfasst. Auf mehr als 700 Seiten beschreibt sie ihr Leben und ihre Kanzlerschaft. Für das Buch soll Merkel einen üppigen Vorschuss erhalten haben. Jetzt geht die Altkanzlerin mit dem Buch auf Tour. Nach der Veröffentlichung haben sich einige kritische Stimmen zu dem Werk geäußert. t-online gibt einen Überblick über die ersten Kritiken zum Buch der Altkanzlerin.
Navid Kermani hebt in seiner „Zeit“-Rezension besonders den ersten Teil positiv hervor. Wenn sie von ihrer Zeit in der DDR erzählt, dann schreibe sie mit einem „Sinn für sprechende Details, feine Zwischentöne, präzise Beobachtungen und Nebensätze, die mehr aussagen als ganze Regierungserklärungen“, so Kermani. Man würde durch Merkels Erzählung das Leben in der DDR besser verstehen als „durch jede wissenschaftliche Abhandlung und manches literarische Werk“.
Doch so begeistert Kermani von diesem ersten Teil und der sprachlichen Qualität des Werks auch ist, so enttäuscht ihn doch Merkels Sturheit, eigene Fehler anzuerkennen. Besonders im Hinblick auf die Ukraine- und Russlandpolitik.
Damit steht Kermani nicht alleine da, auch Sabine Henkel von der ARD schließt sich dieser Kritik an. Ukraine, Russland, Flüchtlingskrise: Alles werde in Merkel-Manier abmoderiert, moniert sie. So heiße es in ihrem Buch, all diese Entscheidungen müsse man im Kontext der Zeit betrachten, in der sie getroffen wurden.
Und oft treffe dann auch nicht Merkel die Schuld, sondern andere. Die Grünen hätten im Bundesrat gegen die Asylpolitik und sichere Herkunftsländer gestimmt und der Koalitionspartner SPD gegen eine Modernisierung der Bundeswehr. Eine Abkehr vom russischen Gas hätte keine politische Mehrheit gehabt und wäre von der Wirtschaft nicht gewollt worden. Wäre die Ukraine schon 2008 Nato-Mitglied geworden, wäre Putin wahrscheinlich bereits früher eingefallen, argumentiere Merkel.
Auch aus Sicht von Henrike Roßbach von der „Süddeutschen Zeitung“ finden sich nur wenige Momente der kritischen Selbstreflexion in Merkels Autobiografie. Klimapolitik, Digitalisierung und Bahninfrastruktur: Da hätte sie mehr machen können, gebe sie im Buch zu.
„Wenn’s hilft, dann soll man sagen: Merkel war’s. Ich glaube nur, dass damit dem Land auch nicht geholfen ist“, erklärte Merkel während der Vorstellung ihres Buches im Deutschen Theater der Moderatorin Anne Will. Lesen Sie hier mehr zu Merkels Auftritt.
Anders als wohl von vielen erhofft, geizt das Buch der Altkanzlerin auch mit spektakulären Enthüllungen über den Politikbetrieb. Doch auch dafür fand Merkel im Gespräch mit Will eine Erklärung: „Stellen Sie sich mal vor, ich würde Sensationen veröffentlichen, man würde sagen: Die hat uns die ganze Zeit belogen.“
Und so konstatiert Schriftsteller Navid Kermani in der „Zeit“, dass es sich bei Merkels „Schmuckstück“, wie sie ihr Buch auf der Bühne des deutschen Theaters beschreibt, zwar um „ungewöhnlich schöne Memoiren“ handle, in denen sich Merkel aber zum Ende hin durch ihre „Rechthaberei“ selbst klein machen würde.