Urlaub in Europa
Albanien entdecken: Ein Land zwischen Tradition und Moderne
04.03.2025 – 10:31 UhrLesedauer: 5 Min.
In Albanien treffen alte Ruinen auf moderne Städte. Das kleine Land fasziniert durch seine bewegte Geschichte und zieht immer mehr Touristen an.
Die Straße ist schmal, kurvenreich, und der Bus holpert über Schlaglöcher. Unter uns fließt die grünblaue Vjosa, einer der letzten ungezähmten Flüsse in Europa. Auf der anderen Seite stapeln sich grünbepelzte Berge – eine Urlandschaft. Ein Bauer führt seine Kuh am Strick wie in einem der Grimmschen Märchen, Ziegen weiden am Straßenrand, und zwischendurch lugen Bunker wie riesengroße Champignons zwischen Grashalmen hervor. Enver Hoxha, Albaniens Diktator bis 1985, hat das ganze Land mit solchen Bunkern überzogen.
Albanien? Lange war das kleine Land Europas Nordkorea: Es war hermetisch abgeschottet. Das Ende des Regimes kam schleichend nach Hoxhas Tod. Das ist jetzt 40 Jahre her. Aber manche Wunden der Vergangenheit sind bis heute spürbar. Nicht in Tirana, der geschäftigen Hauptstadt, mit ihren hippen Restaurants und den teuren Autos. Wohl aber im Gespräch mit den Menschen – und auf dem Land.
Artur Karami – dunkle Augen, dichte schwarze Haare – hat in Düsseldorf seinen Magister in Germanistik gemacht und unterrichtet in Tirana angehende Pfleger und Krankenschwestern in der deutschen Sprache. Er war zwölf, als das Regime stürzte, und er erinnert sich mit Stolz daran, dass der Aufstand in seiner Stadt begann. In der eigenen Familie hatte er die Macht des Regimes zu spüren bekommen. Als sein Onkel nach dem Wehrdienst über die Grenze nach Griechenland floh, wurde seine Großmutter von der Geheimpolizei bedrängt, den Sohn zu verraten.
„Die Partei wollte Menschen ohne Köpfe schaffen“, sagt Artur bitter, „Menschen, die nicht denken.“ Und die gibt es seiner Meinung nach in Albanien immer noch – oder schon wieder. Denn der 47-Jährige beobachtet immer öfter Männer, die Plakate mit Hoxha-Fotos hochhalten. „Das hätte es vor ein paar Jahren nicht gegeben“, ärgert er sich.

Seit 2014 Beitrittskandidat der EU
Auch wir sehen mit Staunen, dass Bücher des Diktators überall zum Verkauf stehen, im Buchladen an der Oper, beim Bücherstand am Kanal, auf dem Markt in Kruje. Nach einem Gang durch den Bunker, der als BunkArt zu einem Museum umgewandelt wurde und in dem die Gräuel des Regimes mit nahezu buchhalterischer Genauigkeit aufgelistet werden, ist uns diese Gelassenheit im Umgang mit Hoxhas Gedankengut noch unverständlicher.
Dabei ist der Wandel Programm. 2009 schon hat Albanien einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt, seit 2014 ist das Land Beitrittskandidat, und die EU unterstützt den Reformprozess auch finanziell. Allerdings sieht sie noch Handlungsbedarf, was Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Grundrechten und Umwelt betrifft. Auch die immer noch grassierende Korruption ist ein Hinderungsgrund.
Zwar sind die Preise im Land für unsere Verhältnisse niedrig, aber der Großteil der Albaner verdient auch wenig. Im Durchschnitt 600 Euro monatlich. Da fragt man sich schon, woher das Geld für die dicken Autos kommt, an deren Steuer vorwiegend junge Männer mit coolen Sonnenbrillen sitzen.
Auf dem Land werden die Autos bescheidener. Am Straßenrand bieten Verkäufer gegrillten Mais oder frisch geerntete Früchte an. Auf manchen Äckern sehen wir Bauern, die noch mit uraltem Gerät ihre Äcker bestellen und Strohbündel auf dem Rücken nach Hause tragen. Und selbst auf die Autobahn verirren sich Pferdekarren. Viele Felder liegen brach, die meisten Bauern besitzen kein Land, haben nur Nutzungsrechte auf oft sehr kleinteiligen Parzellen.
In den Dörfern verfallen die schönen alten Steinhäuser, die jungen Leute ziehen weg – nach Tirana oder gleich ins Ausland. Dafür kommen die Touristen und sie werden von Jahr zu Jahr mehr. Berat, die Stadt der 1.000 Fenster, ist ein beliebtes Ziel, und die Festung mit der schönen Dreifaltigkeitskirche und dem Onufri-Museum sollte man sich nicht entgehen lassen. Die farbsatten Werke des berühmten Ikonenmalers könnten viele Geschichten aus alter Zeit erzählen. Rundum Verkaufsstände mit Selbstgemachtem, Gehäkeltem, Gestricktem. Kauffreudige und an der Kultur des Landes interessierte Urlauber helfen den Menschen von heute dabei, irgendwie über die Runden zu kommen.