Jeden Tag beantwortet ein Experte aus der t-online-Ratgeberredaktion eine Leserfrage rund ums Geld. Heute: Aktien im Minus – soll ich alles verkaufen?
Die Kurse an den US-Börsen könnten noch eine Weile weiter steigen. Die großen Indizes erreichen immer neue Höchststände – in Erwartung einer wirtschaftsfreundlichen Trump-Regierung. Doch nicht alle Aktien profitieren vom euphorischen Marktumfeld. Institutionelle Fondsanbieter haben es vor allem auf die Highflyer abgesehen und investieren die Milliarden der Fonds- und ETF-Sparer. Die Folge: Vor allem Technologiewerte und KI-Aktien verzeichneten besonders starke Kursgewinne.
Eine Branche, die herbe Verluste einstecken musste, war die deutsche Autoindustrie. Besonders Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz gerieten auf die Abschussliste vieler Investoren. Gründe sind schwache Geschäfte in China, hohe Investitionen im E-Autobereich bei gleichzeitiger Kaufzurückhaltung der Kunden. Auch drohende Zölle einer Politik unter Donald Trump haben die Hoffnung auf steigende Kurse vorerst ausgebremst.
Viele Anleger sind allerdings seit Jahren in Autoaktien investiert oder erst spät in die Rally eingestiegen. Nun sitzen manche von ihnen auf einem Minus im Depot. So wie ein t-online-Leser, der für rund 6.300 Euro 70 BMW-Aktien gekauft hat. Sein Buchverlust: 2.000 Euro. Da die Aktien den Lebensunterhalt als Rentner etwas aufbessern sollten, fragt er sich, ob er die Reißleine ziehen oder die Flaute aussitzen sollte.
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Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn man sein Geld für die Altersvorsorge oder den Vermögensaufbau nicht auf dem Girokonto liegen lässt, sondern am Kapitalmarkt anlegt. Denn hier lassen Sie Ihr Geld arbeiten und nutzen Kurssteigerungen und Dividenden, um Ihr Kapital zu vermehren.
Das Risiko besteht darin, dass die Kurse von Wertpapieren wie Aktien, Aktienfonds und ETFs nicht kontinuierlich steigen, sondern je nach Konjunkturzyklus und Stimmung der Anleger mal steigen und mal fallen – und von Zeit zu Zeit in einem Crash enden können. Von einem Crash sprechen Experten, wenn die Kurse innerhalb kurzer Zeit um mindestens 20 Prozent fallen.
Die Klimakrise, der Wandel zur E-Mobilität, die hohe Inflation und drohende US-Zölle auf deutsche Autos haben auch die BMW-Aktie von ihrem Höchststand von 115 Euro auf 65 Euro einbrechen lassen – ein Minus von 40 Prozent. Auch andere deutsche Aktien haben in den vergangenen fünf Jahren aus unterschiedlichen Gründen stark an Wert verloren:
- TUI: minus 88 Prozent
- CompuGroup Medical: minus 75 Prozent
- Thyssenkrupp: minus 67 Prozent
- ProSiebenSat.1: minus 64 Prozent
- Aroundtown: minus 62 Prozent
- Teamviewer: minus 55 Prozent
- Evotec minus 54 Prozent
- Lufthansa: minus 50 Prozent
- Hugo Boss: minus 38 Prozent
- Siltronic: minus 37 Prozent
Für viele Anleger stellt sich die Frage: verkaufen, halten oder aufstocken?
Bevor Anleger sich entscheiden, ihre Aktien zu verkaufen, lohnt sich ein Blick auf das große Ganze. Schauen Sie sich zunächst die Dividende an. Mit 70 BMW-Aktien erhalten Sie im kommenden Jahr beispielsweise 315 Euro (4,50 Euro pro Aktie). Behalten Sie Ihre BMW-Aktien trotzdem für die nächsten zehn Jahre, erhalten Sie als Aktionär wahrscheinlich eine Dividende von 3.150 Euro – mit der Möglichkeit, dass BMW die Dividende erhöht.
Viele dividendenstarke Unternehmen kürzen ihre Ausschüttungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – erhöhen sie aber wieder, wenn es ihnen besser geht. Deshalb sollte die Dividende nicht allein darüber entscheiden, in eine Aktie zu investieren.
- Vorsicht Dividendenfalle: Wann hohe Ausschüttungen trügerisch sein können
Sie haben mit Aktien kein Geld verloren, solange der Verlust nur ein Buchwert in Ihrem Depot ist. Erst wenn Sie sich zum Verkauf entschließen und den Verlust realisieren, haben Sie wie bei der eingangs zitierten Leserfrage 2.000 Euro verloren. Mit dem Verkauf verlieren Sie aber auch alle zukünftigen Dividendenansprüche und verzichten auf mögliche Kurssteigerungen.
Wenn Analysten mittelfristig wenig Aufwärts- oder Abwärtspotenzial sehen, stufen sie eine Aktie in der Regel als „Halten“ ein. Analystenempfehlungen basieren in der Regel auf dem aktuellen Informationsstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Einschätzung ist nicht in Stein gemeißelt und kann sich jederzeit ändern, wenn sich die Unternehmenszahlen oder die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern.
Die Empfehlung „Halten“ spiegelt oft eine neutrale oder abwartende Haltung wider, wenn sich die Vor- und Nachteile eines Investments die Waage halten. Als Anleger sollten Sie sich jedoch nicht nur auf eine Analystenempfehlung verlassen, sondern versuchen, verschiedene Meinungen zu berücksichtigen.
Zudem sollten Sie eigene Recherchen über das Unternehmen anstellen, zum Beispiel die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen prüfen, und schauen, wie sich Umsatz, Gewinn und Verschuldungsgrad in den letzten Jahren entwickelt haben. Achten Sie auch auf das Marktumfeld wie Zinsen, allgemeine Börsensituation und politische Rahmenbedingungen.