Nicht selten verbürgten ostdeutsche Handwerker und Dienstleister ihre Häuser als Pfand für hohe Kredite, meistens mit einem westdeutschen Partner an ihrer Seite. Die westdeutschen Finanzämter vermissten ihre ’schwarzen Schafe‘ nicht, denn diese trieben nun im Osten ihr Unwesen. Nicht selten verlor ein gutgläubiger Ossi Haus und Hof, weil er über den Tisch gezogen wurde. Das schmerzte umso mehr, weil sie so hart erarbeitet worden waren: Wer in der DDR ein Eigenheim gebaut hatte, musste um jeden Ziegelstein, jede Schindel, jedes Brett oder um Ilmantin-Plastputz kämpfen, tauschen, ewig warten und dabei oft schier verzweifeln. Es hing viel Herzblut an so einem Haus.
Während im Westen das Leben nach der Wende im Großen und Ganzen nahtlos weiterging, verloren wir im Osten unsere vertraute Arbeit, unseren Zusammenhalt, unser gewohntes Leben. Natürlich war die neu gewonnene Freiheit ein unbezahlbarer Wert! Doch die Umstellung innerhalb kürzester Zeit auf ein neues politisches und wirtschaftliches System entpuppte sich als riesige Herausforderung. Vieles war gut, es entstanden tatsächlich blühende Landschaften, doch wir verloren auch viel. Es gab Gewinner und Verlierer gleichermaßen und es passte nicht mehr zusammen. Wir veränderten uns mitsamt den neuen Herausforderungen.
Nach den hoffnungsvollen Kohl-Jahren und der Aufbruchstimmung spürte allmählich nahezu jeder im Osten Deutschlands, dass etwas fehlte. Was war das?
Es waren die vorher völlig unbekannten sozialen Unterschiede zwischen Arm und Reich. Es war die Gruppendynamik, gegen die Staatspartei SED zu sein. Es waren das bewährte einheitliche Schulsystem, die Polikliniken für alle Bürger und vieles mehr. Nun wurde deutlich, dass uns ein Stück unserer Identität genommen worden war. Es war ja in der DDR nicht alles schlecht gewesen – doch nun wurde uns ungefragt alles Westliche übergestülpt. Hätte man nicht einiges so lassen können, wie es immer gewesen war?
Die sozialen Unterschiede waren das größte Problem. Der Nachbar, der Bruder, die Freunde standen plötzlich viel besser da. Sie hatten in der DDR studieren dürfen und verdienten nun im kapitalistischen System ein Vielfaches meines Gehalts. Nicht zum Aushalten, wie die sich veränderten! Früher hatten wir zusammen geschimpft, uns geholfen, waren dicke Kollegen gewesen – aber jetzt kannten sie mich nicht mehr, weil ich nicht das Glück hatte, eine Akademikerin zu sein. Diese Erkenntnis schmerzte.