Im Bundestag gibt es wohl eine Mehrheit für die Legalisierung von Abtreibungen, sagen Befürworter. Doch sie haben Angst, dass ihre Gesetzesinitiative trotzdem scheitern könnte.
Sie sind wütend. Und sie bangen um eine Gelegenheit, die bald schon Geschichte sein könnte. Eine große Gruppe Abgeordneter kämpft im Bundestag darum, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren.
„Wir müssen jetzt handeln, weil die Versorgungslage für Frauen unfassbar dramatisch ist“, sagt SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge t-online. „Nach der Wahl könnte die nötige Mehrheit im Bundestag dafür fehlen.“
Wegge ist eine der Initiatorinnen des Antrags, den die Gruppe schon Mitte November vorgelegt hatte. Doch die Gruppe beklagt, im parlamentarischen Prozess ausgebremst zu werden. Und jetzt wird eben die Zeit knapp. Ein paar Ideen aber, wie es doch klappen könnte, haben sie.
Experten sehen Handlungsbedarf
Bislang ist eine Abtreibung in Deutschland grundsätzlich illegal, geregelt im Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches. Das will die Gruppe ändern. In den ersten zwölf Wochen nach Empfängnis sollen Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich legal werden, sofern die Schwangeren eine Beratung in Anspruch nehmen.
Zwar bleiben Schwangerschaftsabbrüche unter diesen Bedingungen auch heute schon straffrei für die Frauen. Doch neben dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen argumentieren Befürworter einer Reform damit, dass sich die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsanbrüche anböten, in den vergangenen 20 Jahren halbiert habe. Sie verweisen auf eine Studie, die zeigt, dass fast 60 Prozent der Frauen Schwierigkeiten haben, einen Schwangerschaftsabbruch zu organisieren.
Schon im April 2024 war nach einem Jahr Beratung der Abschlussbericht einer Expertenkommission zu dem Thema erschienen. Die Forscher kamen darin zu dem Schluss, dass die grundsätzliche Rechtswidrigkeit eines Abbruchs „in der Frühphase der Schwangerschaft nicht haltbar“ sei. Die Forderung der Experten: Die Politik müsse tätig werden.
Die Ampelkoalition konnte sich jedoch nicht darauf einigen, die Reform mit ihrer Mehrheit durchzubringen. Die FDP hatte Bedenken. Dort argumentierten sie, die gesellschaftliche Debatte um Abtreibungen sei kompliziert und aufgeladen. Warum solle man bewusst riskieren, fragten sie, einen stabilen gesellschaftlichen Konsens ohne Not aufzukündigen? Die Union sieht das ähnlich, und bezweifelt Probleme bei der Versorgung.
Also entschieden sich die Befürworter der Reform dafür, die Sache im Bundestag mit einem Gruppenantrag selbst in die Hand zu nehmen. In einem solchen Verfahren schließen sich Abgeordnete verschiedener Fraktionen zusammen und versuchen, eine Mehrheit für ihr Vorhaben im Parlament zu organisieren.
Als sie ihren Gruppenantrag im November vorstellten, hatten ihn schon 328 Abgeordnete unterschrieben. Zur sicheren Mehrheit im Bundestag fehlten damit von Beginn an nur 39 Stimmen. Besonders die Union habe das überrascht, sagen nun manche Unterstützer. Ihre anfängliche Strategie, die Reform öffentlich zu bekämpfen, habe nicht funktioniert, weil es in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit für die Legalisierung gebe. Deshalb habe die Union die Strategie gewechselt: die Beratungen so lange hinauszuzögern, bis die Legislaturperiode vorbei ist.
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Nach der ersten Lesung steckt der Gesetzentwurf nun schon seit Wochen im Rechtsausschuss fest. Damit er wieder ins Plenum des Bundestages kommen und dort in der zweiten und dritten Lesung beschlossen werden kann, braucht es im Ausschuss einen sogenannten Abschluss. Also eine Abstimmung der Abgeordneten, bei der im Zweifel sogar egal ist, ob der Entwurf eine Mehrheit findet oder nicht.
Diese Abstimmung aber hätten Union und FDP immer weiter hinauszögern wollen, heißt es bei den Befürwortern. Zuletzt, indem sie eine Expertenanhörung wegen angeblicher Terminprobleme auf den letztmöglichen Termin geschoben hätten: auf kommenden Montag, 10. Februar, 17 Uhr. Den zweitletzten Sitzungstag des Deutschen Bundestags in dieser Wahlperiode.
„Das ist einfach unparlamentarisch“, sagt jemand aus der Gruppe der Befürworter. Es sei „nicht redlich, dass Union und FDP im Rechtsausschuss alles dafür getan haben, das Gruppenverfahren zu blockieren.“ Das Kalkül? „Sie befürchten, dass es im Plenum eine Mehrheit dafür geben könnte.“