
Tübingens Oberbürgermeister
Boris Palmer zensiert sich selbst
21.12.2025 – 08:22 UhrLesedauer: 2 Min.
Boris Palmer hat mit Beiträgen im Internet Empörung weit über Tübingen hinaus ausgelöst. Mithilfe einer Anwendung agiert der Oberbürgermeister jetzt vorsichtiger.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat begonnen, seine Beiträge in den sozialen Netzwerken vor der Veröffentlichung von Künstlicher Intelligenz überarbeiten zu lassen. Der 52-Jährige nutzt dafür nach eigenen Angaben die Anwendung ChatGPT, um Formulierungen zu entschärfen und Gegenwind zu vermeiden. „Ich will das hier sagen, aber schreibt es bitte so, dass es keinen Shitstorm gibt“, beschrieb Palmer seinen Umgang mit dem Programm. Die Texte poste er inzwischen nicht mehr ungeprüft.
Der Schritt ist eine Reaktion auf wiederholte Kontroversen, die Palmer mit zugespitzten oder verletzenden Beiträgen auf Facebook ausgelöst hatte. Wiederholt geriet er wegen Wortwahl und Tonfall in die Kritik, teils weit über Tübingen hinaus. Dennoch gebe es Grenzen der Selbstkorrektur, machte Palmer deutlich.
Als „sprachkritikresistent“ bezeichnete er sich mit Blick auf einen früheren Facebook-Post zu E-Scooter-Fahrern, die die Roller querbeet nach der Nutzung abstellten. Palmer schrieb dazu: „Das muss man auch erst mal schaffen, sowohl eine Garageneinfahrt als auch den Gehweg komplett zu blockieren. Glückwunsch. Dürfen eigentlich auch Gehirnamputierte solche Roller benutzen?“.
Man müsse nicht aus jeder missglückten Wortwahl einen Skandal machen, sagt Palmer. „Ich finde das einfach falsch und deswegen stehe ich dazu. Und mir wäre es lieber, es würden nur ein paar mehr Leute dazu stehen, dass man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss.“
Palmer, geboren 1972 in Waiblingen, ist seit 2007 Oberbürgermeister von Tübingen. Der frühere Grünen-Politiker galt lange als einer der profiliertesten kommunalen Köpfe seiner Partei, fiel aber ebenso regelmäßig durch provokante öffentliche Auftritte auf. Besonders seine Aktivitäten in den sozialen Medien führten wiederholt zu parteiinternen und öffentlichen Konflikten.
2018 sorgte Palmer für Empörung, als er auf Facebook das Fehlverhalten eines Radfahrers mit dessen Hautfarbe verknüpfte und vermutete, es handele sich um einen Asylbewerber. Nach heftiger Kritik entschuldigte er sich dafür. 2020 geriet Palmer während der Corona-Pandemie unter Druck, nachdem er öffentlich erklärt hatte, man rette womöglich Menschen, die „in einem halben Jahr sowieso tot wären“ – das brachte ihm auch parteiintern scharfe Kritik ein.
Diese und weitere Vorfälle belasteten das Verhältnis zu Bündnis 90/Die Grünen nachhaltig. Nachdem der Landesverband ein Parteiausschlussverfahren angestoßen hatte, ließ Palmer seine Mitgliedschaft zunächst ruhen und trat im Mai 2023 schließlich aus der Partei aus. Er begründete den Schritt mit dem Wunsch, weiteren Schaden von den Grünen abzuwenden, und kündigte an, an seiner Selbstkontrolle arbeiten zu wollen.











