Kanzler Merz schlug sich in der Auseinandersetzung auf die Seite der SPD. Die Renten-Rebellen der Union wurden zu Einzelgesprächen gebeten, die vor allem Fraktionschef Jens Spahn (CDU) führte. Spahn war schon das Scheitern der Richterwahl im ersten Anlauf im Sommer angelastet worden. Deswegen ging es für ihn bei der Abstimmung auch um seinen Job. Ein Scheitern hätte möglicherweise sein Aus als Fraktionschef bedeutet.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verwies vor der Abstimmung bei der turbulenten Debatte im Bundestag noch einmal darauf, dass es im nächsten Jahr weitere Rentenreformschritte geben werde. „Dafür müssen wir Verantwortung übernehmen. Dafür braucht es Mut“, sagte er. Auch für diesen zweiten Schritt brauche es „heute ein starkes Mandat für dieses Paket, ein starkes Mandat für diese Koalition, ein starkes Mandat für die Bundesregierung und ein starkes Mandat für den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“.
Merz verpasste den größten Teil der Debatte. Er nahm erst mit mehr als 50 Minuten Verspätung, aber sichtlich gut gelaunt auf der Regierungsbank Platz. Der Kanzler hatte die Latte für die Abstimmung am Donnerstagabend noch einmal ein Stück höher gelegt und sich die „Kanzlermehrheit“ als Ziel gesetzt.
Diese heißt so, weil sie nur in wenigen Fällen wie der Wahl des Bundeskanzlers oder der Vertrauensfrage des Kanzlers benötigt wird. „Wir haben 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Die Mehrheit ist 316. Wir haben 328 und ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328“, hatte Merz nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder gesagt.
Damit hat der Kanzler noch einmal verdeutlicht, dass es bei der Abstimmung nicht nur um ein Gesetz, sondern um das Vertrauen in seine Koalition und letztlich um ihren Bestand ging. Manche werteten den Schritt sogar als indirekte Vertrauensfrage.
Merz wusste allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits, wie viele Abweichler sich bei der Fraktionsführung gemeldet hatten. Dafür gab es eine Frist bis Mittwoch um 12.00 Uhr. Da es sich um eine namentliche Abstimmung handelte, konnten die Abgeordneten bei diesem in der Geschäftsordnung der Fraktion festgelegten Verfahren nicht unerkannt gegen den Gesetzesvorschlag stimmen. Sie mussten Farbe bekennen.
Öffentlich angekündigt hatte sein Nein in den vergangenen Tagen nur ein Unionsabgeordneter: der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel. In der Debatte folgte mit dem Vorsitzenden der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, ein zweites Mitglied der Union. Der Gesetzesentwurf gehe gegen seine „fundamentalen Überzeugungen“, gegen alles, wofür er Politik mache und gegen Generationengerechtigkeit. „Und deshalb habe ich mich entschieden, diesem Gesetz nicht zuzustimmen“, sagte Reddig.












