Kanzler Merz schlug sich in der Auseinandersetzung auf die Seite der SPD. Die Renten-Rebellen der Union wurden in Einzelgesprächen bearbeitet, die vor allem Spahn führte. Ihm war schon das Scheitern der Richterwahl im ersten Anlauf im Sommer angelastet worden. Deswegen ging es für ihn bei der Abstimmung auch um seinen Job. Ein Scheitern hätte möglicherweise sein Aus als Fraktionschef bedeutet.
Der Abstimmung ging eine turbulente Debatte voraus, die der Kanzler aber zum größten Teil verpasste. Er nahm erst mit mehr als 50 Minuten Verspätung demonstrativ gut gelaunt auf der Regierungsbank Platz. Merz hatte die Latte für die Abstimmung am Donnerstagabend noch einmal ein Stück höher gelegt und sich die „Kanzlermehrheit“ als Ziel gesetzt.
Die heißt so, weil sie nur in wenigen Fällen wie der Wahl des Bundeskanzlers oder der Vertrauensfrage des Kanzlers benötigt wird. „Wir haben 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Die Mehrheit ist 316. Wir haben 328 und ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328“, sagte er.
Damit hatte der Kanzler noch einmal verdeutlicht, dass es bei der Abstimmung nicht nur um ein Gesetz, sondern um das Vertrauen in seine Koalition und letztlich um ihren Bestand geht. Manche werteten den Schritt sogar als indirekte Vertrauensfrage.
Merz wusste allerdings zu diesem Zeitpunkt auch schon, wie viele Abweichler sich bei der Fraktionsführung gemeldet haben. Dafür gab es eine Frist bis Mittwoch um 12.00 Uhr. Es hätte aber auch kurzfristige Krankmeldungen geben können. Ganz ohne Risiko war seine Ansage daher nicht.
Öffentlich angekündigt hatte sein Nein vor Debatte nur der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel. Am Ende entschieden sich acht der ursprünglich 18 Renten-Rebellen der Jungen Gruppe für ein Nein oder eine Enthaltung. Eine weitere Nein-Stimme kam von dem 38-jährigen Nicolas Zippelius, abwesend war der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Bei einer Probeabstimmung am Dienstag hatte es noch 10 bis 20 Gegenstimmen und etwa eine Handvoll Enthaltungen gegeben.
Auch wenn Merz die eigene Kanzlermehrheit erreicht hat: Der Rentenstreit hat Spuren hinterlassen, die bleiben werden. Das Vertrauen zwischen Merz und den jungen Abgeordneten in der Union ist nachhaltig gestört. Die Junge Gruppe dürfte auch weiterhin klare Kante zeigen, wenn es gegen die Interessen der jungen Generation geht. Das gilt natürlich vor allem für die geplante größere Rentenreform im nächsten Jahr.
Für die Koalition wird 2026 eher schwerer als leichter. Es stehen fünf Landtagswahlen an, unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, wo die AfD in den Umfragen an die 40 Prozent erreicht. Im Dauerwahlkampf sollen also Reformentscheidungen getroffen werden, die schwieriger werden als das, was Schwarz-Rot in den ersten sieben Monaten bei nur einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen beschlossen hat.











