Wenn Corona aus dem Labor stammte, hatten Leute recht, die lange als Verschwörungstheoretiker beschimpft wurden. Auch das muss eine Pandemie-Lehre sein: Wir müssen zurück zu einer Gesellschaft, die freies Denken, Kritik und Meinungsfreiheit belohnt statt bestraft.
Der Bundesnachrichtendienst geht mit substanzieller Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Covid-19 aus dem Labor kommt. Die Corona-Pandemie ist demnach mit einiger Wahrscheinlichkeit das Produkt eines aufstrebenden Staates, der schnell spektakuläre wissenschaftliche Ergebnisse produzieren wollte und dessen Forscher rücksichtslos, unvorsichtig und unangemessen agierten.
Die Bedeutung dieser Sachlage ist kaum zu überbieten.
Millionen Tote weltweit, gespaltene Gesellschaften, ruinierte Volkswirtschaften, Arbeitslosigkeit und sehr viele Menschen, die ohne ihre Liebsten, allein in einer Quarantäne-Zone gestorben sind – für diese gewaltige biologische Katastrophe gibt es mit gewisser Wahrscheinlichkeit einen verantwortlichen Staat, verantwortliche Behörden, Aufseher und Wissenschaftler. Womöglich wäre es sogar möglich, die einzelnen Forscher zu finden, die das Entweichen des Virus möglich gemacht haben.
Auch wenn es von der aktuellen Lage der Welt überforderte Politiker ungern hören wollen: Auf China sollte international härtester Druck ausgeübt werden, um die beweisbare Wahrheit über den Corona-Ursprung zu erfahren. Es ist wissenschaftlich möglich, anhand von Proben die Herkunft des Virus aus dem Labor klar zu bestätigen oder zu widerlegen. Die Tatsache, dass China diese Proben nicht herausgibt und sich auch sonst sämtlichen ernsthaften Untersuchungen verweigert, ist mehr als verdächtig.
Wenn es Verantwortliche gibt, müssen sie bestraft werden. Das Gefühl, dass das Gesetz für einige, die drastische Straftaten begehen, nicht gilt, aber Millionen andere für Kleinigkeiten bestraft werden, ist weltweit eines, das Menschen den Glauben an Rechtsstaatlichkeit und, noch schlimmer, Gerechtigkeit verlieren lässt.
Johannes Boie ist Publizist, Berater und der ehemalige Chefredakteur von „Bild“ und „Welt am Sonntag“. Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte er in der „Neuen Zürcher Zeitung“ eine investigative Recherche, in der er über eine geheim tagende Forschergruppe beim Bundesnachrichtendienst berichtete; und darüber, dass der Dienst der Bundesregierung die Einschätzung übermittelt hat, dass Covid-19 wahrscheinlich aus dem Labor in Wuhan, China, entwichen sei – und sich eben nicht in der Natur entwickelt habe. Einige Stunden später berichteten auch „Zeit“ und „SZ“ darüber.
Gleichzeitig gilt es ein anderes Phänomen zu durchleuchten, und aus der deutschen und westlichen Gesellschaft zu verbannen: Es ist die Einschränkung des freien Denkens, des offenen Wortes, der kritischen Analyse. Rationalität als Grundlage des Denkens, Empirie und Kritik statt Dogma und Meinungsfreiheit sind die Grundlagen, auf denen unsere Gesellschaft seit der Aufklärung beruhte. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass sie allesamt bedroht sind.
Die Einschränkung der freien Meinung fand in den vergangenen Jahren vor allem durch Chilling Effects statt. Allein die Sorge davor, dass etwas passieren könnte, wenn man etwas sagen würde, drängte viele Menschen dazu, ihre Meinung nicht mehr zu äußern. Mit dem Gefühl geschlagen, zum Schweigen verdammt zu sein, wandten sich einige davon radikalen Parteien zu. Die Wahlergebnisse der letzten Jahre sind nicht nur, aber auch durch diese Effekte zustande gekommen.
Das brutale Durchsetzen erzwungener Narrative war bei vielen Themen zu beobachten, es gibt Beispiele aus vielen Teilen der Gesellschaft: Lange wurden etwa antisemitische Straftaten, die nicht klar einer Tätergruppe zuzuordnen waren, automatisch als „rechts“ verbucht. Wer einwandte, dass radikale Muslime Juden genauso bedrohen wie Nazis, galt schnell als „rechts“. Wer sich dagegen wehrte, die Transideologie in ihren radikalen Ausprägungen zu befürworten, wer zum Beispiel auf getrennte Toiletten bestand, musste Sorge haben, als „transfeindlich“ zu gelten.
Und wer bei Corona darauf hinwies, dass es ein durchaus seltsamer Zufall ist, dass das Virus ausgerechnet aus einer Stadt kommt, in der an exakt solchen Viren geforscht wurde, und dass es ein Forschungsprojekt gab, das einigermaßen genau beschrieb, was im Labor in Wuhan später geschah – der wurde schnell in die Gruppe der „Schwurbler“ und „Verschwörungstheoretiker“ einsortiert.
Höhepunkt war ein offener Brief von hochrangigen Forschern, die bereits 2020 im angesehenen Fachmagazin „The Lancet“ ihr Renommee einsetzten, um „gemeinsam stark zusammenzustehen, um Verschwörungstheorien zu bekämpfen, die andeuten, Covid-19 komme nicht aus der Natur“.
In Peking wird man sich die Hände gerieben haben: Sieh einer an, einige der besten Virologen des Westens sagen exakt das, was die Diktatur in Peking hören möchte …
In Deutschland führte dieses aufgezwungene Narrativ zur gesellschaftlichen Spaltung: Auf der einen Seite die guten, klugen, durchaus auch akademischen Forscher und ihre Gefolgschaft, die den, leider Gottes, nicht ganz so klugen Rest der Gesellschaft auf der anderen Seite erziehen, korrigieren und ja, auch zum Schweigen bringen müssen. Diese erste Gruppe, der man in den sozialen Medien, an manchem Küchentisch und im Job begegnen konnte, war weitgehend beseelt davon, zu „den Guten“ zu gehören. Darunter mischten sich übrigens auch zahlreiche Journalisten, insbesondere in den Wissenschaftsressorts, die, anders als Politikjournalisten, die Objekte ihrer Berichterstattung, die Forscher, häufiger als Partner und Informanten, denn als wichtige Personen, deren Handlungen und Motive es grundsätzlich zu hinterfragen gilt.