Franziska Brantner wirft Schwarz-Rot eine Mogelpackung vor, Carsten Linnemann teilt ihre Sorgen. Maybrit Illner wundert sich: Ist das Opposition zu Friedrich Merz?
Wenn der CDU-Chefstratege der Grünen-Chefin immerzu beipflichtet, stehen offenbar schwere Verhandlungen ins Haus – auch intern. „Was auf dem Tisch liegt, ist eine Mogelpackung“, sagte Franziska Brantner am Donnerstag bei „Maybrit Illner“ zu den gigantischen Schuldenpaketen von Union und SPD. Wer bei der Replik von Carsten Linnemann mit Gegenangriff gerechnet hatte, musste umdenken. „Grundsätzlich hat Frau Brantner ja recht“, sagte er stattdessen und fuhr diese Schiene die gesamte Sendung über.
- Carsten Linnemann (CDU), Generalsekretär
- Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzende
- Moritz Schularick, Ökonom (Kiel Institut für Weltwirtschaft)
- Eva Quadbeck, Journalistin (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
- Gabor Steingart, Journalist („The Pioneer“)
„Gute Schulden, schlechte Schulden – hat Merz sich verzockt?“, war die Talkshow überschrieben. Linnemann warnte seine Partei wiederholt davor, bei der plötzlichen Kehrtwende in Sachen Schuldenbremse einen fatalen Fehler zu begehen. Die Regierung müsse mit dem Geld auskommen, was sie habe, bekräftigte Linnemann seine früheren Aussagen zugunsten der Schuldenbremse. „Meine Sorge ist einfach, dass wir das Geld jetzt ausgeben und die Strukturreformen kommen nicht“, warnte er. „Dann verkaufen wir unsere Seele.“
Nur mit grundlegenden Strukturreformen etwa in Sachen Entbürokratisierung sei der den Wählern versprochene Politikwechsel möglich, sagte Linnemann. Gelinge dieser Politikwechsel, sei – so stellte er es bei „Illner“ dar – das Wählerversprechen zumindest dem Geiste nach erfüllt. Doch wenn nicht, „dann ist es ein Wortbruch, da bin ich bei Ihnen“, räumte der Generalsekretär ein.
Linnemann malte gar noch vor dem Start einer schwarz-roten Regierung das Gespenst der Ampelkoalition an die Wand. „Es besteht die Gefahr, dass wir den gleichen Fehler machen, den Sie gemacht haben“, sagte er an Brantner gewandt. Gemeint war das Sondervermögen für die Bundeswehr, aus dem laufende Ausgaben beglichen worden seien.
Genau das warf die Grünen-Parteivorsitzende ihren Amtskollegen von CDU und SPD vor. Beim Sondervermögen Infrastruktur gebe es de facto keine Garantie, dass die Schulden tatsächlich für zusätzliche Projekte ausgegeben werden müssen. Es sei aber unverantwortlich, Schulden für teure Wahlkampfversprechen aufzunehmen, die eigentlich über den normalen Haushalt finanziert werden müssten, etwa Mütterrente oder niedrigere Mehrwertsteuer in der Gastronomie.
„Die Summen sind sich erschreckend ähnlich“, stützte der Ökonom Moritz Schularick bei „Illner“ die Befürchtungen zu horrend teuren Steuergeschenken durch das Sondervermögen. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Linnemann verwies auf die gerade laufenden Koalitionsverhandlungen.
Eine klare Antwort bekam Illner hingegen, als sie ihren Eindruck teilte, Linnemann sei eigentlich ganz anderer Meinung als Friedrich Merz, wenn er erst für Reformen und dann für neue Schulden sei. „Ich bin kein verlängerter Arm“, erwiderte Linnemann. Die Möglichkeit, dass er und Merz im Werben um die Grünen womöglich mit verteilten Rollen agieren, blieb unerwähnt. Brantners Urteil zur Merzschen Kehrtwende bei der Schuldenbremse stand jedenfalls fest.
Entweder habe der Unions-Kanzlerkandidat die Finanzlage Deutschlands vor der Wahl nicht richtig durchschaut oder aber wider besseres Wissen dem Wahlkampf zuliebe auf Einhaltung der Schuldenbremse gepocht. „Beides gibt mir kein gutes Gefühl für einen zukünftigen Kanzler. Kanzler muss man wollen und können“, sagte die Grünen-Chefin. Sie befürwortete es jedoch, weiter über ein Gesamtpaket aus Lockerung der Schuldenbremse für die Verteidigung und Sondervermögen Infrastruktur zu beraten.
„Inhaltlich ist diese Koppelung nicht gegeben. Die ist politisch gegeben“, sagte hingegen
Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft. Merz hat sich nach Ansicht der Journalistin Eva Quadbeck dadurch noch vor der Regierungsbildung in eine Zwickmühle laviert – auch mit Blick auf die Stimmung in den Bundesländern, die wie der Bund mehr Schulden machen wollten.
Zwar waren sich alle Gäste in der Runde einig, dass neue Schulden für die Verteidigung schnell beschlossen werden sollten. Das Sondervermögen aber sollte laut Quadbeck vom neuen Bundestag beraten werden. Das sei besser für die Legitimität anstatt es jetzt noch durchzupeitschen, sagte die Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Ihr Kollege Gabor Steingart sah es ähnlich. „Ich würde das Tempo rausnehmen“, sage der Herausgeber von „The Pioneer“. Die neue Bundesregierung steht im neuen Bundestag bei Grundgesetzänderungen alerings einer Sperrminorität durch AfD und Linke gegenüber. Quadbeck forderte Linnemann auf, das Tabu einer Zusammenarbeit mit der Links-Fraktion aufzugeben. Steingart meinte, dies müsse auch für Gespräche mit der AfD gelten. Deren Wähler dürften nicht einfach ignoriert werden.
Linnemann beharrte bei „Illner“ zunächst auf dem Unvereinbarkeitsbeschluss zur Links-Fraktion und darauf, beide Pakete gemeinsam zu verhandeln. Er sei nicht sicher, ob die Schulden für die Verteidigung allein durch den Bundesrat kommen würden. Der CDU-Generalsekretär stellte aber auch wiederholt klar: „Wir sind verdammt zum Erfolg.“