Union und SPD machen den Grünen ein Angebot, das die nicht ablehnen sollen. Doch die Grünen sind weiterhin nicht überzeugt. Bleiben sie hart?
Es dauert knapp 14 Minuten, bis sich Friedrich Merz wohl nicht mehr zurückhalten kann. „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr“, fragt er am Rednerpult des Bundestages, „als das, was wir Ihnen in den letzten Tagen vorgeschlagen haben?“ Merz meint damit die Grünen, natürlich. Sie antworten ihm: mit Hohngelächter.
Dabei hatte alles überraschend versöhnlich begonnen an diesem Donnerstagmittag im Bundestag. SPD-Chef Lars Klingbeil und CDU-Chef Friedrich Merz haben den skeptischen Grünen ein neues Angebot gemacht. Ein Angebot, mit dem sie den grünen Forderungen im Streit um die Reform der Schuldenbremse für die Verteidigung und das Sondervermögen für Infrastruktur entgegenkommen.
Merz richtet in seiner Rede sogar ein „Wort des Dankes“ an die Grünen. Das seien ja gute Gespräche gewesen in den letzten Tagen, mit berechtigten Hinweisen auch. Es kommt einer Charmeoffensive nahe, die manche Grüne bei der Union nach einem Wahlkampf der Beschimpfungen vermissen. Sie fühlen sich nicht ernst genommen in diesen Tagen, auch nicht in ihrer Drohung, im Zweifel alles platzen zu lassen.
Aber am Ende landet Merz eben doch wieder beim: Was wollt ihr eigentlich noch mehr? Nicht nur deshalb lehnen die Grünen die Pläne von Union und SPD weiterhin ab. Die Frage, die nun auch in ihren Reihen lauter wird, ist nur: Halten sie das wirklich bis zum Schluss durch?
Union und SPD jedenfalls wollen es den Grünen so schwer wie möglich machen, die Pläne abzulehnen. Das ist spätestens nach diesem Tag klar. Besonders für die SPD ist ausgeschlossen, was die Grünen vorschlagen: nur die Schuldenbremse für die Verteidigung zu reformieren, nicht aber zugleich das Sondervermögen für Infrastruktur zu beschließen. „Das gehört zusammen“, sagt Klingbeil dazu in seiner Rede. „Das eine wird es ohne das andere nicht geben.“
Es gehe nicht um die Frage, wer recht habe, sagt Klingbeil. Und auch nicht darum, wer sich gut fühle. „Es geht um Verantwortung für das Land.“ Die Grundgesetzänderungen seien „historisch“, und deshalb brauche es eine breite demokratische Mehrheit dafür.
Das Problem: Ohne die Grünen gibt es diese Mehrheit im alten Bundestag nicht. Deshalb haben Union und SPD kurzfristig an diesem Vormittag einen Änderungsantrag zu ihren eigenen Vorschlägen verfasst. Die Grünen erfahren davon dem Vernehmen nach erst, kurz bevor die Debatte mittags losgeht.
Das lässt Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann später am „Verhandlungsgeschick einiger Kollegen“ zweifeln. Angebote über „unzureichende Gesetzesentwürfe“, sagt sie, die mache man „weder über die Mailbox noch im Plenum“.
Doch das Angebot liegt jetzt vor, und es kommt den Vorstellungen der Grünen deutlich näher als das bisherige:
- Von der Schuldenbremse sollen künftig nicht nur alle Ausgaben für Verteidigung im engeren Sinne ausgenommen sein, die über 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, also Panzer und Raketen. Ebenso ausgenommen werden sollen „Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste“.
- Das 500-Milliarden-Sondervermögen ist nun „für Investitionen in die Infrastruktur und für Investitionen in den Klimaschutz“ vorgesehen und soll für 12 Jahre gelten. Für den Klimaschutz sollen dadurch „bis zu 50 Milliarden Euro“ in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen können.
- SPD-Chef Lars Klingbeil verspricht in seiner Rede außerdem, die Grünen hätten die „Zusage“, dass sie „bei der Ausgestaltung des Sondervermögens und bei der Reform der Schuldenbremse“ in der nächsten Legislaturperiode „eingebunden sind und dort mitarbeiten“. Er sagt auch, dass Union und SPD festschreiben wollten, dass es bei den Investitionen um zusätzliche Investitionen gehen solle. Dazu findet sich im entsprechenden Änderungsantrag für die Grundgesetzreform jedoch bislang nichts.
Das Angebot nimmt damit die meisten Forderungen der Grünen zumindest auf, die sie in den vergangenen Tagen immer wieder gestellt hatten. Sie wollten einen breiteren Sicherheitsbegriff, den sich das neue Angebot jetzt zu eigen macht. Und sie wollten den Klimaschutz nicht nur in einer Überschrift, sondern irgendwo verankert. Die 50 Milliarden Euro für den KTF kann man so lesen.
Die Grünen aber sind nicht zufrieden, um es höflich auszudrücken. Das macht Fraktionschefin Katharina Dröge in ihrer Rede schon früh deutlich. „Das Wort ‚Zusätzlichkeit‘ schreiben Sie weiterhin nicht ins Grundgesetz“, kritisiert sie. Wer Zusätzlichkeit wolle, könne kein Problem damit haben, das auch ins Grundgesetz zu schreiben.
Es ist ein Argument, das die Grünen schon seit Tagen wiederholen, und die FDP interessanterweise auch: Union und SPD wollten mit dem Sondervermögen nur ihre „Wahlgeschenke“ finanzieren, die Mütterrente, die Ausweitung der Pendlerpauschale, die Steuersenkungen für Reiche. Das Ganze sei nur ein „Verschiebebahnhof“, der nicht dazu führe, dass es zusätzliche Investitionen gebe, also mehr als bisher. Wenn man das wirklich so mache, sagt Dröge, seien Union und SPD im Grunde bei der Position der Linkspartei. „Dann können Sie die Schuldenbremse auch abschaffen.“