Politische Partner sollten nicht öffentlich streiten, erklärte Friedrich Merz im Wahlkampf. Unter ihm als Kanzler werde das anders laufen, versprach er. Danach sieht es derzeit nicht aus.
In einem guten Monat will sich Friedrich Merz zum Kanzler wählen lassen. Davor sollen noch ein Koalitionsvertrag geschmiedet und das Grundgesetz geändert werden. Damit das klappt, müssen sich CDU, CSU, SPD und die Grünen zum Teil weit verbiegen. Der Druck ist enorm und schon jetzt streiten sich die Parteien deshalb nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern auch öffentlich. Dabei wollte Friedrich Merz genau das nicht.
In der Ampelkoalition war öffentlicher Streit zwischen den Koalitionären an der Tagesordnung. SPD, Grüne und FDP versuchten oft, ihr Profil auf Kosten der Partner zu schärfen. Dabei kritisierten sich die Parteien, stachen Interna an die Öffentlichkeit durch und blockierten einander so lange, bis die Koalition zerbrach. Die Opposition hatte es dabei leicht und wies oft auf die Dysfunktionalität der Ampel hin. Im Wahlkampf versprach dann der CDU-Chef, dass er es anders machen werde. „Ich will eine Regierung führen, die aufhört zu streiten“, sagte Merz im Januar in Mainz.
Esken gerät mit Spahn aneinander
Eine Kostprobe gab es davon am vergangenen Samstag, als die möglichen Koalitionspartner CDU, CSU und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungen verkündeten. Dabei bemühten sich die Parteispitzen, ihre Einigkeit zu demonstrieren. Er habe das Gefühl, neue Partner gefunden zu haben, sagte Markus Söder. „Das macht Lust auf mehr“, erklärte der Parteichef. SPD-Chefin Saskia Esken hob ihre Zusammenarbeit mit Markus Söder sogar explizit hervor, als es um die Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie ging. „Dieses Projekt habe ich mit Markus Söder schon einmal auf den Weg gebracht“, aber dann habe es der Ex-Finanzminister Christian Lindner verhindert, sagte sie.
Doch nur wenige Tage später klang Saskia Esken schon ganz anders. Als CDU-Mann Jens Spahn erklärte, bei der Zurückweisung von Asylsuchenden könne Deutschland notfalls auch gegen den Willen der Nachbarländer handeln, wies sie den CDU-Politiker öffentlich zurecht. „Das halte ich für brandgefährlich und werde auch ganz klar dagegenhalten, wenn es weiter debattiert wird“, sagte sie im Deutschlandfunk.
Im elfseitigen Sondierungspapier hat sich Schwarz-Rot unter anderem auf eine Verschärfung der Migrationspolitik geeinigt. Das solle „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ geschehen, heißt es dort. Doch während Fraktionsvize Spahn sagte, „Abstimmung“ erfordere nicht Zustimmung, interpretiert Esken das strenger. „Wir haben was anderes vereinbart, und dabei bleiben wir auch“, sagte sie.
Am Montag traf sich dann die SPD zur Fraktionssitzung. Dort sollen einige Mitglieder ihrem Ärger über den wahrscheinlichen Koalitionspartner in scharfer Form Luft gemacht haben. Die Aussagen aus der Sitzung sind an die Öffentlichkeit gedrungen, dem „Stern“ liegt ein Protokoll vor.
Demnach war auch dort das Kernthema die Einigung bei der Asylpolitik. Zwar soll das von der Ampel verabschiedete Staatsangehörigkeitsrecht erhalten bleiben, doch Schwarz-Rot will prüfen, ob ein Entzug des deutschen Passes für Extremisten und Terroristen möglich ist, wenn diese die doppelte Staatsbürgerschaft haben. Das hielten in der Fraktionssitzung besonders Abgeordnete mit Migrationshintergrund für falsch.
„Warum steht das überhaupt drin?“, soll Rasha Nasr, deren Eltern aus Syrien stammen, dem „Stern“-Protokoll zufolge gefragt haben: „Das macht den Leuten Angst.“ Hakan Demir aus Neukölln fügte laut dem Bericht hinzu: „Die Leute fragen mich auf der Straße: Werde ich jetzt abgeschoben?“ Und eine dritte Abgeordnete erklärte: „Das muss weg.“ Die SPD-Spitze beruhigte die Teilnehmenden, die Änderung würde sowieso niemals kommen, hieß es.