Der Streit zwischen Schwarz-Rot und den Grünen um das Finanzpaket ist ein Alarmsignal für die kommenden vier Jahre. Die Berliner Politik ist sich offenbar des Ernstes der Weltlage nicht bewusst.
Der Haushalt hat mehr Löcher als Deutschlands Straßen Spurrillen. Die Zeit drängt, denn die Weltpolitik rast auf eine neue Ordnung zu. Die Bundeswehr pfeift aus dem letzten Loch. Die Wirtschaft stottert. Und Deutschlands Wähler haben vor kaum einem Monat mehr als deutlich gemacht, dass sie bereit sind, Politikversagen hart abzustrafen. Notfalls auch mit Stimmen an den Rändern.
Deutschland braucht im Moment also nichts so sehr wie eine stabile Regierung. Es braucht aber auch eine Opposition mit klarem Kompass für die Zeichen der Zeit, professionellem Habitus und Verantwortungsbewusstsein für das Land. Umso absurder ist das Schauspiel, das sich im Berliner Regierungsviertel derzeit rund um das dringend benötigte Finanzpaket zwischen der Union und den Grünen abspielt.
Statt zukunftsorientiert zuzupacken, überbieten sich alle Beteiligten im Fettnäpfchen-Hüpfen, Stänkern und Piesacken. Der Kanzler in spe, die designierte Regierung und die sich abzeichnende (grüne) Opposition drohen, den Start in die neue Legislaturperiode mit beschleunigtem Tempo an die Wand zu fahren. Es fehlt an allem: Schlauheit, Weitblick, Ernsthaftigkeit. Der Verlierer ist das Land, und die Gewinnerin könnte Alice Weidel sein.
Beginnen wir mit den Grünen: Ein Blick in die Mienen der Partei- und Fraktionsspitze am Montag um 12 Uhr sagte mehr über den professionellen Zustand der deutschen Spitzenpolitik aus, als man als Bürger derzeit ertragen möchte. Als die Damen und Herren Dröge, Haßelmann und Banaszak ankündigten, Friedrich Merz’ hunderte Milliarden Euro schwerem Finanzplan nicht zustimmen zu wollen, da lächelten sie. Sie lächelten tatsächlich. Halb vor Freude, dem angehenden Kanzler ordentlich vors Schienbein treten zu dürfen, halb säuerlich: Die Ober-Grünen sind nämlich schlicht beleidigt.
Sehr beleidigt. Trotz Kriegsgefahr in Europa, trotz Wirtschaftskrise zu Hause und Trump-Chaos rund um den Globus ist es ihnen derzeit wichtiger, die Union zu demütigen, als das Land regierbar zu halten. Genau darum geht es aber, wenn Merz auf ihre Zustimmung für Sondervermögen und Ausnahmen von der Schuldenbremse hofft. Ohne diese milliardenschwere Finanzspritze, das weiß Merz genau, braucht er gar nicht erst anzufangen zu regieren. Vom „Okay“ der Grünen hängt ab, mit welchem finanziellen Spielraum er Deutschland umgestalten kann.
Sie lassen ihn, Stand jetzt, am ausgestreckten Arm verhungern. Nicht aus Jux und Dollerei, aber aus Trotz und Schmollerei. „Spinner“, hatte Merz die Grünen zum Ende des Wahlkampfs mit der Antifa in einen Topf geworfen. „Auf Nimmerwiedersehen“, hatte Markus Söder Robert Habeck beim politischen Aschermittwoch hinterhergehöhnt. Und CSU-Generalsekretär Martin Huber produzierte selbst in der Karnevalswoche noch krachlederne Schenkelklopfer auf „X“, natürlich auf Kosten der Grünen.
Wer Fasching kennt, weiß: Wer knutschen will, muss freundlich sein. Wer für eine Zweidrittelmehrheit grüne Stimmen braucht, der ist schlecht beraten, sie bis kurz vor der Entscheidung noch mal ordentlich zu beleidigen. Von Söder und Huber hatte man geahnt, dass sie keine großen Strategen sind. Dass Merz seine bajuwarischen Heiopeis aber nicht zurückpfiff, fällt ihm jetzt auf die Füße. Wer auf Beleidigung statt auf Beteiligung setzt, wenn er Unterstützung braucht, stellt unter Beweis, was für ein schlechter Taktiker er ist.