Meister der politischen Metapher
DDR-Star Wolfgang Engel ist tot
08.03.2025 – 20:38 UhrLesedauer: 3 Min.
Seine Inszenierungen sorgten für einen Besucher-Ansturm, am Theater war er eine Legende: Jetzt ist Wolfgang Engel mit 81 Jahren gestorben.
Trauer um einen der bedeutendsten Theatermacher der DDR: Wolfgang ist tot. Der Regisseur starb am Freitag im Alter von 81 Jahren, wie eine Sprecherin des Theaters Leipzig unter Berufung auf seine Familie informierte. Dort war Engel von 1995 bis 2008 Intendant. Daneben zählte das Staatsschauspiel Dresden zu den wichtigsten Stationen seiner Bühnen-Karriere, die ihn auch nach Frankfurt am Main geführt hat.
Seine Theater-Karriere begann Engel, der am Tag des Mauerbaus 18 Jahre alt wurde, in seiner Geburtsstadt Schwerin: Direkt nach dem Abitur absolvierte er am Mecklenburgischen Staatstheater eine Schauspielausbildung. Bis 1974 war er dort Bühnenarbeiter, Schauspieler, Regieassistent und schließlich Regisseur.
Dann wechselte der Sohn einer Verkäuferin und eines Beamten nach Sachsen: zunächst an die Landesbühnen in Radebeul, dann 1980 ans Staatsschauspiel in Dresden. Dort reihte sich Engel mit aktualisierten Klassiker-Fassungen und Heiner-Müller-Werken in die erste Reihe der DDR-Regisseure ein.
Ob mit Schillers „Maria Stuart“, Goldonis „Diener zweier Herren“ oder der legendären und beim Publikum beliebten DDR-Erstaufführung von Becketts „Warten auf Godot“: Der „mecklenburgische Sachse“ avancierte in Dresden zum Meister der politischen Metapher. Zum SED-Staat blieb er auf Distanz, den DDR-Nationalpreis lehnte der Theatermann 1989 ab.
In den Achtzigerjahren schafften es einige seiner Produktionen in den Westen Deutschlands: In Saarbrücken stand 1983, 1984 und 1986 je eine Dresdner Engel-Inszenierung auf dem Programm. 1988 begeisterten seine „Nibelungen“ dann in Düsseldorf, wo sie „als eine andere Form der Aufarbeitung deutscher Geschichte“ gefeiert wurden. Jahre später sagte Engel, die Jahre damals in Dresden seien die wichtigsten beruflichen Jahre seines Lebens gewesen.
Nach dem Fall der Mauer ging Engel zunächst ganz in den Westen – als Spielleiter am Schauspiel in Frankfurt am Main. Doch Mitte der Neunzigerjahre kehrte der Regisseur nach Sachsen zurück. Er wurde Intendant am Schauspiel Leipzig. Zum Einstand gab es Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“.
In Leipzig sorgte er mit zwei Event-Inszenierungen – einem siebenstündigen „Faust“ und einem achtstündigen „Wallenstein“ – für ausverkaufte Säle. Doch in vielen anderen Vorstellungen blieben Zuschauer aus. „Letztendlich haben wir nicht genügend Zuschauer erreicht. Ich bin ein wenig ratlos“, sagte Engel kurz vor seinem Abschied im Jahr 2008. In der Spielzeit 2006 und 2007 lag die Auslastung der Bühne bei 66 Prozent.
Mit 65 Jahren verabschiedete er sich als Intendant: Nach 13 Jahren gab der Verfechter des Ensembletheaters die Leitung des Leipziger Schauspiels an den 25 Jahre jüngeren Sebastian Hartmann ab. Er krempelte das Haus komplett um – im Stil der Berliner Volksbühne, samt eigenem Hausphilosophen.
Zum Abschied als Intendant sagte Engel der Deutschen Presse-Agentur über seine Zukunft: „Die Lust am Theater bleibt.“ Und, heute aktueller denn je: „In Zeiten des Mangels ist es wichtig, besonders viel Theater zu machen. Denn das Theater ist einer der letzten Kommunikationsorte. Hier kommen Alt und Jung zusammen und miteinander ins Gespräch.“
Danach arbeitete er als freier Regisseur. 2011 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ geehrt. Er kehrte mehrfach an seine langjährige Dresdner Wirkungsstätte zurück: 2010 inszenierte er „Der Turm“ nach dem Roman von Uwe Tellkamp. Und vor rund zehn Jahren war er am Staatsschauspiel Dresden ein Jahr lang einer von zwei Interims-Chefs.