Désirée Nick wechselt vom Reality-TV zurück ins Theater. In Hamburg steht sie in der Komödie „Spiel gewinnt“ auf der Bühne. Im Interview spricht sie über Einsamkeit, Social Media und Rollen im Alter.
Désirée Nick ist vieles – Schauspielerin, Entertainerin, Bestsellerautorin und eine der scharfzüngigsten Stimmen der deutschen Medienlandschaft. Ob auf der Theaterbühne, im Fernsehen oder in sozialen Netzwerken: Sie polarisiert, unterhält und nimmt kein Blatt vor den Mund.
Nun steht die 68-Jährige in Hamburg mit dem Stück „Spiel gewinnt“ auf der Bühne. Im Interview spricht sie über ihre Rolle, die Mechanismen der Reality-TV-Formate, ihre Erzfeindin Claudia Obert und warum sie erst Rentnerin werden musste, um als Schauspielerin besetzt zu werden.
t-online: Frau Nick, Sie haben in Hamburg schon öfter Theater gespielt. Was schätzen Sie an der Stadt? Haben Sie einen Lieblingsort?
Désirée Nick: Hamburg hat sehr unterschiedliche Gesichter. Das ist ein wenig vergleichbar mit Berlin. Meine Aufenthaltsorte sind stark von meiner Arbeit geprägt: Ich bin in der Stadt bereits auf St. Pauli aufgetreten und habe am Ernst-Deutsch-Theater gespielt. Hier am Winterhuder Fährhaus wollte ich schon lange spielen, das hat sich bisher nur nie ergeben.
In „Spiel gewinnt“ spielen Sie eine Psychotherapeutin und Mutter eines schwulen Sohnes. Wie sind Sie an die Rolle herangegangen?
Als ernsthafte Schauspielerin muss ich genau hinschauen, wie ich eine Rolle glaubwürdig spiele. Boulevardtheater muss authentisch und realistisch sein. Das ist ein Anspruch, den die Kollegen vom Reality-TV in ihren kühnsten Träumen nicht haben.
Dieses Stück berührt tief, und was diese Rolle so faszinierend macht, ist die Frage: Wurde der Sohn durch eine dominante Mutter in seine Homosexualität gedrängt? Hatte er vielleicht niemals eine andere Chance? Gerade weil meine Figur eine promovierte Psychologin und Expertin für Psychoanalyse ist, eröffnet die Rolle viele spannende Ebenen.
Mit Ihrer Erfahrung im Showbusiness haben Sie vermutlich mehr Menschenkenntnis als so mancher Therapeut. Hat Ihnen das bei der Vorbereitung auf diese Rolle geholfen?
Ich bereite mich auf Rollen überhaupt nicht vor. Vielmehr hat mich das Leben auf meine Rollen vorbereitet. Auf die Rolle jetzt bereite ich mich im Grunde schon seit meiner Pubertät vor, denn ich war an der Deutschen Oper Berlin früh von einem Umfeld homosexueller Kollegen umgeben. Balletttänzer sind doch meistens nicht heterosexuell.
In dem Stück wird nicht nur Homosexualität, sondern auch die Themen Medien und Einsamkeit thematisiert. Wie hängt das miteinander zusammen?
Ja, das ist noch viel wichtiger an diesem Stück: Mein Bühnen-Sohn ist ein Nerd. Homosexuell zu sein, ist längst kein abendfüllendes Bühnenthema mehr, das interessiert heute doch kaum noch jemanden.
Mein Bühnen-Sohn ist IT-Experte und lebt sehr isoliert in seiner digitalen Welt – sowohl privat als auch beruflich. Dadurch entstehen Kommunikationsprobleme, die ihn in Verbindung mit einem persönlichen Trauma in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Was macht man also in so einer Welt, wenn es einem schlecht geht? Wie geht man mit einem Burn-out um? Postet man dann täglich: „Ey Leute, ich habe Burn-out“ – und wenn die Follower-Zahlen steigen, denkt man sich: „Oh geil, Burn-out läuft, ich bleibe dabei“? Die junge Generation wird heute oft stark von sozialen Medien beeinflusst und gesteuert.
Für eine Komödie an einem Boulevardtheater sind das ernste Themen.
Ja, aber das zeichnet die größten Komödien aus. Dieses Stück beantwortet große moralische Fragen. Was tut uns die digitale Welt an? Welche Antennen müssen wir entwickeln, um uns da neu auszurichten?
Die Komik liegt allein schon darin, dass die Babyboomer doch mit ihren Enkeln kaum noch kommunizieren können. Die wissen gar nicht mehr, wovon die Enkel reden, worauf sie stolz sind. Da wird nur noch über Apps und Follower geredet. Das sind soziologisch hochinteressante Aspekte. Aber es steckt, wie in jedem Boulevardtheater, natürlich auch sehr viel Komik dahinter.