Spekulationen um die Nachfolge von Papst Franziskus nehmen Fahrt auf. Welche Namen gehandelt werden und warum das nächste Konklave besonders wird.
Die Sorgen um den schwer erkrankten Papst Franziskus wachsen. Bei dem 88-Jährigen ist nach Angaben des Vatikans eine „leichte, beginnende Niereninsuffizienz“ festgestellt worden. Diese sei derzeit zwar unter Kontrolle, teilte der Sprecher des Heiligen Stuhls mit. Der Zustand des Oberhauptes der katholischen Kirche bleibe aber „kritisch“. Er sei nicht außer Gefahr.
Während Papst Franziskus gegen seine Gebrechen kämpft, beginnen die Spekulationen um seinen möglichen Nachfolger. Das nächste Konklave, also die Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle, könnte die katholische Kirche grundlegend verändern. Im Gespräch mit t-online erläutert der Vatikan-Experte Andreas Englisch, wie Machtverschiebungen, geopolitische Krisen und neue Kardinäle die katholische Kirche vor eine richtungsweisende Entscheidung stellen.
t-online: Der Gesundheitszustand von Papst Franziskus bereitet der katholischen Welt Sorgen. In den kommenden Wochen oder Monaten könnte eine neue Papstwahl bevorstehen. Erste Spekulationen über mögliche Nachfolger haben bereits begonnen. Welche Namen stehen da im Vordergrund?
Andreas Englisch: Als traditionell aussichtsreicher Kandidat gilt Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der als Nummer zwei im Vatikan eine zentrale Rolle einnimmt. Historisch gesehen wurde dieses Amt häufig zum Sprungbrett für das Papstamt. Allerdings gibt es Unsicherheiten bezüglich seiner Gesundheit, da er eine schwere Krebserkrankung überstanden hat. Aber er ist definitiv ein Kandidat.
Ein weiterer Name, der gehandelt wird, ist der Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa. Seine mögliche Wahl hätte eine besondere politische Bedeutung, insbesondere in der aktuellen geopolitischen Lage des Nahen Ostens. Zudem bringt er mit seinem vergleichsweise jungen Alter – unter 60 Jahren – eine langfristige Perspektive für das Amt mit.
Ein weiterer Name, der in der Diskussion um die Nachfolge des Papstes genannt wird, ist Kardinal Luis Antonio Tagle von den Philippinen. Wie schätzen Sie seine Chancen ein?
Er galt lange als einer der aussichtsreichsten Kandidaten, insbesondere aufgrund seiner Sprachkenntnisse und seiner Verbindungen zu den Katholiken in China, die unter staatlichen Restriktionen leiden. Und es gibt in China fast zehn Millionen Katholiken, um die sich niemand richtig kümmern konnte. Allerdings hat seine Position an Einfluss verloren, nachdem er als Leiter des Vatikanischen Ministeriums für Evangelisierung der Völker nicht überzeugen konnte. Das hat er mal komplett gegen die Wand gefahren. Das dürfte seine Chancen auf das Papstamt deutlich verringert haben.
Andreas Englisch lebt seit fast 40 Jahren in Rom und gilt als einer der bestinformierten Journalisten im Vatikan. Seit der Amtszeit von Johannes Paul II. hat er alle amtierenden Päpste regelmäßig getroffen und auf ihren Reisen begleitet. Als Vatikanexperte ist er ein gefragter Talkshowgast und Interviewpartner, seine Bücher sind Bestseller, darunter „Franziskus – Zeichen der Hoffnung“ (2013), „Der Kämpfer im Vatikan. Papst Franziskus und sein mutiger Weg“ (2015), „Der Pakt gegen den Papst. Franziskus und seine Feinde im Vatikan“ (2020) sowie zuletzt „Das Vermächtnis von Papst Franziskus“ (2023).
Kardinal Peter Turkson aus Ghana wird ebenfalls gelegentlich als möglicher Papstanwärter genannt.
Auf gar keinen Fall. Das wäre eine Katastrophe, ein absolutes Desaster. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine dumme Entscheidung getroffen werden könnte. Turkson hat in Interviews immer wieder behauptet, in Afrika gebe es keine homosexuellen Menschen – also auch keinen Kindesmissbrauch. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Turkson ist ein klar homophober Mann, der ins Gefängnis gehört.
Innerhalb der katholischen Kirche gibt es traditionell zwei große Strömungen: das konservative Lager, das an traditionellen Werten festhält, und das progressive Lager, das sich für Reformen einsetzt. Wie sieht das Kräfteverhältnis momentan aus?
Unter Papst Franziskus hat sich das Kräfteverhältnis stark verschoben. Er hat in den letzten Jahren zahlreiche progressive Kardinäle ernannt, wodurch die Konservativen nun in einer deutlichen Minderheit sind. Ein historischer Wandel zeichnet sich dabei besonders ab: Erstmals in der Geschichte der Kirche sind europäische Kardinäle in der Minderheit. Aufgrund dieser Zusammensetzung des Kardinalskollegiums wird erwartet, dass der nächste Papst eher progressiv eingestellt sein und nicht aus Europa stammen wird.
Hat ein europäischer Kandidat noch Chancen?
Traditionell kamen viele Päpste aus Europa, doch diese historische Dominanz schwindet zunehmend. Die veränderte Zusammensetzung des Kardinalskollegiums unter Papst Franziskus hat dazu geführt, dass europäische Kandidaten nicht mehr automatisch bevorzugt werden.
Ein zentrales Argument gegen einen europäischen Papst ist die schwindende Bedeutung des Katholizismus in Europa. Während dort die Zahl der Gläubigen sinkt, Kirchen immer leerer werden und Priesterberufungen stark zurückgehen, verzeichnet die Kirche in Afrika und Asien ein deutliches Wachstum. Viele Kardinäle könnten daher für einen Papst aus einer dieser Regionen stimmen, da er die zukünftige Entwicklung der Kirche besser widerspiegeln würde.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Patriarch Pierbattista Pizzaballa von Jerusalem zeichnen sich also als Top-Kandidaten für die nächste Papstwahl ab. Gibt es noch andere?