TV-Wahlkampf
Migration und Dschungelcamp: Kanzlerkandidaten in TV-Runde
Aktualisiert am 16.02.2025 – 23:36 UhrLesedauer: 6 Min.
Erstmals stoßen im Bundestagswahlkampf die vier Kanzlerkandidaten im Fernsehen direkt aufeinander. Die Streitthemen ähneln denen anderer TV-Runden. Zwischendurch wird es laut – aber auch mal amüsant.
Eine Woche vor der Bundestagswahl haben sich erstmals die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, Grünen und AfD in einer TV-Runde einen heftigen Schlagabtausch zu zentralen politischen Fragen geliefert. In der Viererrunde von RTL traten die konträren Positionen etwa zur Migration, zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, zum Ukraine-Krieg oder zur Rentenpolitik zutage. Eine Forsa-Umfrage unter Zuschauern sah den CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz als Gewinner der zweistündigen Sendung.
Bundeskanzler Olaf Scholz machte deutlich, dass er die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland weiter reduzieren will. „Wir bleiben dran und müssen auch dranbleiben.“ Scholz sagte, dass die Zahl der Abschiebungen seit Beginn seiner Amtszeit um 70 Prozent gestiegen sei.
CDU-Chef Merz konterte, dass zurzeit in vier Tagen so viele neue Flüchtlinge nach Deutschland kämen wie im Monat abgeschoben werden. Er forderte die Bundesregierung auf, Gespräche mit den Taliban in Afghanistan über die Rückführung von Flüchtlingen aufzunehmen.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck betonte, dass die Taliban ein „Terrorregime“ seien. Es gebe kein Land, das mit ihnen diplomatische Beziehungen unterhalte. Mit den Taliban zu verhandeln, sei ein „Adelsschlag für dieses Regime“.
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sagte mit Blick auf die Zahl der Menschen, die ohne Einreiseerlaubnis ins Land kommen: „Die Menschen wollen diesen Kontrollverlust in unserem Land nicht mehr haben.“
Die umstrittene Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz strahlte bis in die Fernsehrunde aus. Vance hatte in München unter anderem erklärt, es gebe keinen Platz für Brandmauern. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD. Vance warnte in diesem Zusammenhang vor einer Gefährdung der Demokratie. Der Begriff der Brandmauer bezieht sich vor allem auf die Union und die AfD.
Scholz sagte: „Was dort gesagt wurde, ist völlig unakzeptabel.“ Deutschland habe aus der Erfahrung des Nationalsozialismus die Lehre gezogen, dass es keine Zusammenarbeit mit den extrem Rechten gebe. Merz betonte mehrfach, für die Union komme eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage. „Und ich verbitte mir solche Einmischungen in die deutsche Bundestagswahl und auch in die Regierungsbildung danach.“ Er fügte hinzu: „Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe.“
Der Hinweis von Scholz auf den Nationalsozialismus ließ AfD-Chefin Weidel empört reagieren: „Diesen Vergleich finde ich skandalös. Den weise ich für mich persönlich und für die gesamte Partei zurück.“
Der Kanzler erinnerte auch an Aussagen des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, der im Juni 2018 gesagt hatte, Hitler und die Nazis seien „nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“. Später bezeichnete Gauland seine Äußerung als „missdeutbar und damit politisch unklug“. Weidel entgegnete: „Sie können mich hier heute Abend beleidigen, wie Sie wollen. Sie beleidigen damit Millionen von Wählern. Mich trifft das überhaupt nicht. Ich repräsentiere diese Stimmen nur. Schreiben Sie sich das bitte hinter Ihre Ohren.“
Merz nannte die AfD „eine rechtsradikale Partei, zum großen Teil rechtsextremistisch“. Er warf Weidel vor, sie würde AfD-Rechtsaußen Björn Höcke „adeln“. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung hatte Weidel gesagt: „Also Björn Höcke und ich, wir verstehen uns sehr gut.“ Ihren früheren Versuch, Höcke aus der AfD auszuschließen, bezeichnete sie als Fehler. Auf die Frage, ob sie ihn als geeignet für ein Ministeramt betrachte, antwortete Weidel mit „Ja“.

Auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik fanden Scholz, Merz, Habeck und Weidel keinen gemeinsamen Nenner. Scholz und Habeck warfen Union und AfD eine sozial ungerechte Steuerpolitik vor: Sie wollten mit milliardenschweren Plänen zu Steuersenkungen vor allem Menschen mit hohen Einkommen entlasten. Die Pläne seien zudem nicht gegenfinanziert. Habeck sprach mit Blick auf die Union und Merz von „Voodoo-Ökonomie“.