Kritik an Historiker-Argument
Merz-Aussage im TV-Duell: Asylrecht nur eine „Legende“?
Aktualisiert am 10.02.2025 – 17:33 UhrLesedauer: 2 Min.
Mit einem Argument des Historikers Heinrich August Winkler versucht Friedrich Merz Olaf Scholz zu kontern. Dabei ist die These durchaus umstritten.
Es war eine der Nachwehen des sogenannten Zustrombegrenzungsgesetzes: In einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ nahm der Historiker Heinrich August Winkler die Pläne der Union und von Friedrich Merz im Besonderen gegen den Vorwurf in Schutz, im Widerspruch zum deutschen Grundgesetz zu stehen. Damit scheint er auch zu dem Kanzlerkandidaten der Union durchgedrungen zu sein: Im TV-Duell mit Scholz berief sich Merz auf das kontroverse Argument und zitierte den Historiker.
Streitgegenstand ist dabei das „subjektive individuelle Asylrecht“ – also die Frage, ob das Asylrecht in Deutschland potenziell jedem zusteht oder ob der Staat entscheiden darf, wem er Asyl gewährt. Laut Winkler war letzteres die Absicht der Autoren des Grundgesetzes, Friedrich Merz hat mit diesem Argument Scholz‘ Kritik an den Flüchtlingsplänen gekontert.
Laut Winkler war anfangs die Formulierung „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts“ geplant – erst später wurde „im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts“ gestrichen. Dies geschah mach Winklers Darstellung aber nur, da die Autoren davon ausgegangen sind, dass die Bindung an das Völkerrecht aus anderen Artikeln hervorgehen würde.
Auch trotz dieser Rekonstruktion ist es rechtlich fragwürdig, ob es sich bei dem individuellen Asylrecht nur um eine „Legende“ handelt – sein „Spiegel“-Beitrag wurde auch von Juristen kritisiert. Einer der Vorwürfe ist, dass sein Blick auf die aktuellen rechtlichen Gegebenheiten unterkomplex ist. Winkler berücksichtige mögliche Verstöße gegen das europäische Recht nicht, die aber ein entscheidender Faktor wären.
Der Verfassungsrechtler und Rechtshistoriker Patrick Heinemann geht in einer Reihe von Posts auf X sogar so weit, Winklers Text als „unhaltbar“ zu bezeichnen und ihn zu „wissenschaftlicher und intellektueller Redlichkeit“ aufzufordern.
Heinemann widerspricht Winklers auf ganzer Linie. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Formulierung zu einem individuell subjektiven Recht führen würde. Er führt die Stellung des Artikels im Abschnitt „Die Grundrechte“ und auch die Formulierung, die das Subjekt betont, an.
Nach Heinemanns Darstellung sei man sich auch in der CDU darüber einig, dass es das subjektive individuelle Asylrecht gibt – denn ansonsten ließe sich die Kritik der Christdemokraten an dem Gesetz und die Bestrebungen, es zu ändern, nicht erklären. Gleiches gelte für den Asylkompromiss von 1993: Ohne das Recht hätte es auch dafür keinen Grund gegeben.
Schließlich setzt er noch zu einer direkten Kritik von Winkler an: „Wenn es hier also eine Legende gibt, dann eine, an der Winkler selbst strickt.“ Das jetzt bestehende Asylrecht sei nicht von linken Parteien vorbei am Gesetzestext etabliert worden – es sei von Anfang an in ihm angelegt worden.
Heinrich August Winkler lehrt unter anderem an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied der SPD, hat aber in Vergangenheit immer wieder die Partei öffentlich kritisiert.