Der Herr der Spiele ist ein Münchner: Tom Werneck (85) hat Abertausende Brettspiele gesammelt, den Preis „Spiel des Jahres“ erfunden und das Spiele-Archiv Haar gegründet.
Als all die Brettspiele irgendwann nicht nur sämtliche Bücher aus den Regalen verdrängt, sondern auch Speicher und Keller in Beschlag genommen hatten – an diesem Punkt habe ihn seine Ehefrau vor die Wahl gestellt, erzählt Tom Werneck, legt eine Kunstpause ein und grinst. „Sie hat gesagt: Entweder die Spiele oder ich!“
Tom Werneck entscheidet sich damals, vor gut 30 Jahren, natürlich für die Liebe – seine Leidenschaft aber gibt er auch nicht auf. Vielmehr fragt er beim Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Haar an, ob dieser nicht ein Plätzchen für seine Spielesammlung habe. Und tja, dann habe die Sache ihren Lauf genommen, sagt Werneck, hebt fast entschuldigend die Schultern und lässt seinen Blick durch das Kellergewölbe schweifen, wo Zigtausende Brettspiele in Regalen lagern – mithin der Fundus des Bayerischen Spiele-Archivs Haar, das auf seiner privaten Sammlung basiert.
Wer hier durch die Gänge schlendert, kommt an Stapeln voller Brett-, Karten-, Rollen- und Würfelspielen vorbei. Mal greift Tom Werneck eine Schachtel mit kyrillischen Buchstaben aus dem Regal, die er dereinst in Moskau erstanden hat; mal zeigt er auf ein Brettspiel mit dem Gesicht des nächsten US-Präsidenten und dem Titel „Trump – The Game“. Ein paar Schritte weiter stapeln sich dann Dutzende Memoryspiele, die auf den ersten Blick identisch sind. „Aber schau mal hier“, sagt Werneck und deutet auf die Logos, deren Gestaltung leicht variiert. „Das sind unterschiedliche Versionen.“ Und sie alle sind hier dokumentiert.
Insgesamt verfügt das Bayerische Spiele-Archiv Haar an diesem und zwei weiteren Standorten über mehr als 20.000 Spiele. Hinzu kommen 4.500 einschlägige Bücher – „die größte Sammlung von Spieleliteratur weltweit“, so Werneck. Der 1996 von ihm gegründete Verein veranstaltet nicht nur jährlich eine Spieleerfindermesse, sondern auch Spieletreffs in Haar, Aschheim und Karlsfeld. Zudem ist das Spiele-Archiv 2019 ins Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden – als „gutes Praxisbeispiel für die Förderung von Brettspielen“.
Und all das ist vor allem Tom Werneck zu verdanken, heute 85 Jahre alt und eine Institution in der Welt der Spiele. Dabei sei er selbst ein Spätzünder gewesen, erzählt er, denn als Kind habe er nie gespielt. „Meine Eltern waren zehn Monate im Jahr im Ausland und hatten keine Zeit. Und mit meiner Oma habe ich höchstens mal Canasta und Streit-Patience gespielt – mehr nicht.“
Erst mit Anfang 30 infiziert sich Werneck mit dem Spielevirus – über einen Katalog für Superreiche aus den USA. „Ein Freund hat den mitgebracht. Und das Billigste darin war ein Spiel, also habe ich das bestellt“, erzählt er. Einmal angefixt entwickelt sich der Siemens-Manager ab den 1970er-Jahren zum Spieleexperten. Er schreibt Spielerezensionen erst in den „Nürnberger Nachrichten“ und später in der „Zeit“, gründet 1979 mit einem Kollegen einen Kritikerpreis, der heute als „Oscar für Brettspiele“ gilt: das „Spiel des Jahres“.
Bekomme ein Spiel das begehrte rote Siegel, „dann erhöhen sich die Verkaufszahlen um den Faktor hundert“, sagt Tom Werneck. Fast 30 Jahre lang gehört er der Jury an, ehe er sich 2009 zurückzieht. Vom Spielen kann Werneck indes bis heute nicht lassen – auch nach all den Jahrzehnten. Ob das nicht langweilig werde? „Nein!“, ruft Werneck, reißt die Augen auf und blickt sein Gegenüber ernst an. „In Spielen entdeckt man nicht nur neue Welten, sondern wird auch in Herausforderungen gestoßen.“ Das mache für ihn den Reiz aus. Zumal es doch so sei, sagt Tom Werneck, lehnt sich zurück und lächelt. „Alles, was der Mensch jemals gemacht hat, spiegelt sich in Spielen wider.
Mit Blick aufs nahende Weihnachtsfest empfiehlt Tom Werneck vom Bayerischen Spiele-Archiv Haar fünf aktuelle Spiele für Erwachsene und Kinder ab zehn Jahre: