Metastasen bei Brustkrebs bedeuten eine schlechte Prognose. Oft treten sie erst nach Jahren auf und wachsen dann rasant. Welcher Mechanismus dabei eine Rolle spielt, haben Forscher untersucht.
Etwa bei jeder fünften Frau mit Brustkrebs treten Metastasen auf. Das passiert häufig sogar erst nach Jahren, wenn man glaubt, die Krankheit sei schon besiegt. Aus medizinischer Sicht ist der Krebs in diesem Stadium nicht mehr heilbar.
Warum manche Krebszellen ihren Ursprungstumor verlassen und an anderen Körperstellen weiterwuchern, beschäftigt die Krebsforschung schon seit langer Zeit. Vermutet wird, dass ein komplexer molekularer, zellbiologischer Mechanismus dahintersteckt. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), vom Helmholtz-Zentrum München, von der ETH Zürich und dem Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie haben versucht, ihn zu entschlüsseln.
Brustkrebsmetastasen sind Tochtergeschwulste, deren Zellen vom Gewebe ihres ursprünglichen Tumors stammen. Sie haben sich aus dessen Zellverbund gelöst und wandern über Blut- oder Lymphbahnen an andere Körperstellen. Am häufigsten streuen Brustkrebsmetastasen in die Knochen. Aber auch Organe wie Haut, Leber, Hirn oder Lunge können betroffen sein.
Die Wissenschaftler betrachteten einen speziellen Zellmechanismus, die sogenannte epithelial-mesenchymale Transition (EMT). Dadurch werden die an sich „sesshaften“ Krebszellen mobil, können zunächst in das umgebende Gewebe eindringen und schließlich über Blut- und Lymphbahnen in entfernte Organe transportiert werden.
Dabei wechseln die Krebszellen ihre Identität: von „epithelial“ zu „mesenchymal“ und umgekehrt. Zur Erklärung: Epithelzellen und Mesenchymzellen unterscheiden sich in ihrer Form und Funktion deutlich voneinander. Ein wesentliches Merkmal ist, dass Epithelzellen untereinander fest verknüpft sind, wohingegen Mesenchymzellen keine festen Zellverbindungen aufweisen und sich somit leichter aus dem Zellverband lösen und die Basalmembran der Epithelzellen durchdringen können.
In den Metastasen-Biopsien waren beide Arten von Krebszellen vorhanden. Doch nicht alle Brustkrebszellen führten zur Entstehung von Metastasen, wie anschließende Versuche zeigten. Nur diejenigen Krebszellen, die ihre ursprüngliche epitheliale Identität bewahrt hatten, konnten neue Metastasen bilden. Krebszellklone mit einem Verlust an epithelialen Merkmalen dagegen hatten ein reduziertes Metastasierungspotenzial.
„Es gibt unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Daten über die Bedeutung des EMT-Mechanismus für die Metastasenbildung, die sich möglicherweise auch je nach Krebsart unterscheiden könnten“, erklärt Martin Sprick vom Heidelberger Forschungsteam. „Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass eine vollständige und irreversible EMT die klonale Ausbreitung der Krebszellen überraschenderweise einschränkt, während die epitheliale Identität der Krebszellen für die Ausbreitung der Krankheit absolut notwendig ist.“
Die Erkenntnisse der Studie sind ein erster Schritt, um den Mechanismus, der hinter der Metastasenbildung steckt, besser zu erkennen. Ob sich daraus irgendwann einmal Therapien für metastasierenden Brustkrebs entwickeln, ist völlig unklar.
Dennoch sei es wichtig, den Ansatz weiterzuverfolgen, sagt Christina Scheel von der Dermatologischen Universitätsklinik Bochum. „Der Prozess des Metastasen-Wachstums ist besonders wichtig, da Krebserkrankungen grundsätzlich in diesem Stadium am schwierigsten zu behandeln sind.“
Es sei nun Aufgabe künftiger Forschung herauszufinden, wie dieses Studienergebnis bei der Behandlung aggressiver, metastasierender Tumore genutzt werden könne.
Wenn Brustkrebs bereits gestreut hat, ist die Erkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium. Eine vollständige Heilung ist dann nicht mehr zu erwarten. Doch es gibt Behandlungen, die das Tumorwachstum begrenzen können, mögliche Beschwerden lindern und die Lebensqualität der Patientinnen verbessern. In einigen Fällen kann das Fortschreiten der Erkrankung mitunter für viele Jahre hinausgezögert werden.
Für die Behandlung von metastasiertem Brustkrebs sind zertifizierte Brustkrebszentren, Tumorzentren und onkologische Schwerpunktpraxen gute Anlaufstellen. Hier finden Betroffene und ihre Angehörigen auch psycho-onkologische Unterstützung.
Welche Therapie infrage kommt, hängt vor allem davon ab, in welcher Körperregion die Metastasen auftreten und wie viele es sind. Auch die biologischen Merkmale des Tumors spielen dabei eine Rolle. Hierzu gehören unter anderem hormonelle Einflüsse. Auch das Alter der Patientin und deren körperliche Verfassung müssen beim Therapieplan berücksichtigt werden.
Wie die Krankheit verlaufen wird, ob es stabile Krankheitsphasen gibt und wie hoch die Lebenserwartung der Patientin ist, lässt sich nicht genau vorhersagen. Dennoch bleibt eine berechtigte Hoffnung auf eine möglichst lange Zeit mit guter Lebensqualität. Laut dem Münchner Krebsregister leben von 100 Brustkrebspatientinnen mit Metastasen nach fünf Jahren immerhin noch etwa 26 und nach zehn Jahren noch etwa 13.