Am Nachmittag vor ihrer Lesung signiert die Ex-Bundeskanzlerin ihre Memoiren. Viele Teenies sind gekommen, ihnen reicht oft schon ein Handy-Foto.
Am Tag, als ihr Nachfolger im Bundestag die Vertrauensfrage stellt und die Regierung auflöst, sitzt Angela Merkel in einer Kölner Buchhandlung und schreibt ihren Namen rund 400 Mal in ihre Sichtweise ihrer Politik. „Freiheit“ lautet der Titel von Merkels Memoiren, die sie rechtzeitig zum Weihnachtsfest (geplant) und zum Ende der Ampel (ungeplant) unters Volk bringt. Bevor sie am Abend in der Flora daraus liest, ist sie zu einer Signierstunde in „Der andere Buchladen“ auf der Weyerstraße in Sülz gekommen.
Kurz bevor die Altkanzlerin aus einer schwarzen Limousine steigt, hat sich vor dem Buchladen bereits eine große Schlange gebildet. Die einen haben eines von 400 kostenlosen Tickets für die Unterschrift, die anderen wollen bloß ein Foto von der einst berühmtesten Frau Deutschlands.
Das Auto fährt vor, der Sicherheitsdienst hat bereits eine Gasse geschaffen, durch die Merkel zusammen mit ihrer langjährigen Vertrauten und Co-Autorin Beate Baumann das Geschäft betritt. Lächeln, winken, weitergehen – keine zehn Sekunden dauert das Spektakel. „Ich hab Bild, ich hab“, ruft ein Sechstklässler, der Merkel mit dem Handy fotografiert hat, und klatscht mit seinem Kumpel ab. Währenddessen hat die Hauptverantwortliche für die Bildungspolitik der vergangenen Jahrzehnte drinnen am Tisch Platz genommen.
Die Hälfte der Neugierigen, die jetzt ihre Smartphones gegen das Schaufenster drücken, sind Kinder und Jugendliche. „Weg da, du Drecksbalg“, schimpft eine Frau mit Handy am Ohr, die nicht durchkommt. „Die versauen mir meinen Termin, den ich seit Monaten plane“, sagt sie und schubst die Kinder rüde beiseite.
Mehr Geduld haben diejenigen, die ein Ticket für die Signierstunde haben. Die Schlange reicht um die Ecke bis in die Nikolausstraße hinein. Es sind auffällig viele junge Menschen darunter. Nacheinander werden die Gäste hinein gelassen, ihre Taschen und Rucksäcke müssen sie allerdings draußen lassen – und ihr Exemplar von „Freiheit“, wenn sie schon eins haben, denn wer eine Unterschrift in den Einband will, muss im Buchladen ein neues Buch kaufen.
Auch Fotos von der Altkanzlerin sind untersagt, persönliche Widmungen schreibt sie ebenfalls nicht hinein. Neugierig sind die Zuschauenden vor der Tür dennoch, viele wollen das Autogramm sehen – und dürften enttäuscht sein: Die Unterschrift ist kaum leserlich und wenn man nicht wüsste, dass Merkel sie gerade eben hineingeschrieben hätte, würde man sie für gedruckt halten.
„Egal, wenn sie schon hier ist“, sagt Fabian Meierhoff, der ein Ticket hatte. Allerdings ärgert sich der 28-Jährige, dass er ein neues Buch kaufen musste, er hat bereits eins. „Das ist mit 42 Euro schon teuer. Dann kriegt es halt die Oma zu Weihnachten“, sagt er. Ob er CDU-Anhänger oder Merkel-Fan sei? „Nein, im Gegenteil sogar – ich habe nur die Chance genutzt, sie mal zu sehen. Ich weiß aber nicht, ob sich das jetzt gelohnt hat, da hätte ich auch zu Hause bleiben können“, meint Meierhoff.
Auch Marlena Zümler kommt mit Buch und Autogramm wieder heraus. Wie war sie, die ehemalige Kanzlerin? „Wie eine Wachsfigur“, antwortet die 24-Jährige. „Es war schon surreal, sie mal zu sehen – als sie Kanzlerin wurde, war ich fünf. Ich bin mit ihr groß geworden.“ Sie wohne um die Ecke, habe ebenfalls nur die Gelegenheit nutzen wollen. Dann verstaut sie das Buch in ihrer Tasche und macht sich, um eine Erfahrung reicher, auf den Heinweg.