Emotionale Werte statt Realwerte
Emotionale Werte treiben Sammelkarten auf abenteuerliche Preise
26.11.2024 – 15:33 UhrLesedauer: 4 Min.
Sammelkarten sind alles andere als ein Kinderspiel. Seltene Exemplare können mitunter Rekordpreise erzielen. Woher kommt der Hype?
Durch die Hände von Patrick Meierhofer und seinem Team gehen zum Teil richtige Schätze – auch wenn diese für Außenstehende eher wie Spielzeug wirken. Bis zu 3.000 Sammelkarten nehmen die Experten des Unternehmens AOG in Schwaig am Rande Nürnbergs jeden Monat genau unter die Lupe, um deren Zustand zu bewerten.
Auf den Karten sind meist bunte Comicfiguren oder Sportler zu sehen. Auf Schulhöfen sind sie begehrte Tauschobjekte. Doch auch viele Erwachsene sammeln sie – und sind bereit, für seltene Exemplare viele Tausend Euro zu zahlen.
Ein Set von fast 300 Karten aus dem Jahr 1993, das AOG für einen Kunden bewertete, steht aktuell sogar für eine Million Euro im Netz. Wie kann es sein, dass Karten so viel wert sind? „Das sind keine Realwerte, sondern emotionale Werte“, erläutert Meierhofer. „Schlussendlich ist es ähnlich wie bei Aktien – Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.“
Sammelkarten sind eine Welt für sich. Manche sind nur fürs Sammeln gedacht. Andere sind als Spiel konzipiert, bei dem man sich seine eigenen Kartensätze zusammenstellt und damit gegen andere antritt. Aber auch bei diesen gibt es Menschen, die die Karten nur sammeln und nicht damit spielen wollen.
Das Konzept jedenfalls ist immer ähnlich: In der Regel kauft man die Karten in Päckchen oder Boxen, bei denen der Inhalt eine Überraschung ist – darunter viele Karten, die oft vorkommen, mit etwas Glück, aber auch die ein oder andere Besonderheit. „Es gibt Karten, die nur in geringer Anzahl und limitierte Auflage produziert werden. Diese sind exorbitant begehrt bei Sammlern“, sagt Carol Rapp, Geschäftsführerin der internationalen Spielemesse „Spiel Essen“.
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Sammelkarten-Spiele gibt es nach Angaben von Rapp seit rund 30 Jahren. Das erste Spiel dieser Art war Magic, dann folgten Pokémon und Yu-Gi-Oh! In Wellen hat es dann immer neue Spiele gegeben, sagt die Expertin. Seit der Corona-Pandemie sehen Branchenkenner aber einen Boom. „In den letzten Jahren sind unheimlich viele neue Sammelkarten-Spiele erschienen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten“, erklärt Rapp.
So hat der deutsche Branchenriese Ravensburger mit Disney Lorcana im vergangenen Jahr erstmals ein Sammelkarten-Spiel auf den Markt gebracht – und habe für den „größten Produktlaunch in der Unternehmensgeschichte“ über drei Jahre erhebliche Mittel investiert, erläutert ein Sprecher. Konkrete Umsatzzahlen veröffentlicht der Verlag aber nicht.
Ein Blick auf die Branchenzahlen zeigt das Potenzial: In den vergangenen Jahren verzeichneten Sammelkarten laut dem Marktforschungsunternehmen Circana zweistellige Zuwachsraten. In diesem Jahr ging der Umsatz laut Circana jedoch erstmals nach langer Zeit zurück, und zwar um 4 Prozent. Das sei vor allem auf das mit Abstand größte Sammelkarten-Spiel Pokémon zurückzuführen, das nicht mehr an seinem Umsatzerfolg des Vorjahres anknüpfen konnte, erläutert Spielwaren-Marktforscher Joachim Stempfle.
Was sich in den Zahlen jedoch nicht spiegelt, sind die Umsätze auf dem Zweitmarkt. Dieser spiele traditionell eine wichtige Rolle, sagt Bernhard Breit, Inhaber von BB Spiele in Rosenheim. Denn zwangsläufig besitze man irgendwann eine Karte zig Male, während andere in der Sammlung fehlten. Früher hätten sich die Leute mit Ordnern zum Tauschen getroffen, heute laufe alles übers Internet. Auch sein Geschäft kaufe seit einigen Jahren Sammelkarten an.
Der nach eigenen Angaben größte Händler in Europa ist die Plattform Cardmarket. Mehr als 80 Millionen Karten wurden dort im vergangenen Jahr verkauft. 62.000 Euro hat die bisher teuerste Sammelkarte auf dem Marktplatz gekostet, 2022 stand diese zum Verkauf.
Auf dem Verkaufsportal wird außerdem angezeigt, wie sich der durchschnittliche Verkaufspreis einzelner Karten über die Jahre verändert. So lag dieser für die Karte King Landia the Goldfang bis 2018 etwa bei 900 Euro und schoss 2020 auf stolze 4999 Euro.
„Während Corona sind die Preise durch die Decke gegangen, mittlerweile hat sich das wieder normalisiert“, sagt Breit. Auch er habe schon eine Karte für einen fünfstelligen Betrag veräußert. „So etwas ist aber eher ungewöhnlich.“ Das Gros der Karten liege preislich zwischen ein und zehn Euro.