Die Ampel ist zerbrochen. Bleibt es bei dem Plan des Kanzlers, gibt es Neuwahlen im März. Und bis dahin? Eigentlich braucht Scholz jetzt den Oppositionsführer. Doch Merz stellt klare Bedingungen.
Während am Mittwochabend in den Fraktionssälen der Ampelparteien eine Mischung aus Erleichterung, Frust und Ratlosigkeit herrscht, findet wenige Meter weiter, im Jakob-Kaiser-Haus, ein Treffen der Unions-Spitzen statt. Im Büro des Oppositionsführers und CDU-Chefs Friedrich Merz haben sich Generalsekretär Carsten Linnemann, der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Freis Pendant für die CSU, Alexander Hoffmann, kurzfristig zum Gespräch versammelt. Aus Bayern ist CSU-Ministerpräsident Markus Söder zugeschaltet.
Man freut sich über die gescheiterte Bundesregierung und überlegt, was das jetzt eigentlich für einen selbst bedeutet. Seit fast einem Jahr rufen CDU und CSU nach einem Ampelbruch. Bislang wurde die Frage nach dem „Und dann?“ dabei schön aufgeschoben. „Das wird man dann sehen“ oder „Wir sind bereit“, hieß es auf Nachfrage. Nichts Konkretes. Jetzt ist die Ampel geplatzt – und die Union am Zug. Was macht Merz also daraus?
Nach dem Rauswurf von Christian Lindner und dem Abgang der FDP fehlt Scholz im Bundestag eine Mehrheit. Die Ministerien der FDP werden zwar von SPD-Leuten und Grünen besetzt, aber für Gesetzesvorhaben fehlt der rot-grünen Minderheitsregierung eine parlamentarische Mehrheit. Stellt der Kanzler die Vertrauensfrage erst im Januar, könnte dem Land ein monatelanger Stillstand drohen. Und was passiert bis dahin?
Die FDP betont zwar, man werde schauen, was notwendig sei an Entscheidungen, aber mit ihrer Unterstützung rechnen kann Scholz nicht. Also braucht es die Abgeordneten der Union. Wenn es Scholz gelänge, bestimmte Gesetze gemeinsam mit CDU/CSU zu beschließen, wäre die Regierung weiter handlungsfähig. Zumindest aufseiten der CDU hatte man hierfür bereits im Vorfeld Bereitschaft geäußert. Doch CDU-Chef Merz hat seit Mittwochabend mehr als deutlich gemacht, nicht den Lückenbüßer für die FDP spielen zu wollen. Wie realistisch ist eine Zusammenarbeit zwischen Scholz und Merz also wirklich?
Bei den Grünen machen sie sich wenige Illusionen, dass sie noch einen großen Wurf hinbekommen. Er erwarte nicht, sagt Habeck am Mittag vor der Presse, dass FDP und Union in „einer Art großen Nebenvereinbarung jetzt sagen: Wir helfen der verbleibenden rot-grünen Regierung über die nächsten Monate“. Das werde nicht passieren, das sei auch vermessen.
Ob es gelinge, „punktuell, wo es Interessenüberschneidungen gibt“ etwas hinzubekommen, bleibe abzuwarten. Doch bei den großen Brocken klingt Habeck nicht optimistisch, nicht einmal beim Nachtragshaushalt 2024, also den notwendigen Ergänzungen für dieses Jahr. „Muss man schauen“, sagt er, ob es da ein „gemeinsames Verständnis“ mit der Union gebe. Und das wäre im Vergleich mit dem eigentlichen Haushalt für 2025 das deutlich kleinere Problem.
Resigniert klingt Habeck aber trotzdem nicht. Und das liegt an einem Umstand: „Es gibt keine Haushaltssperre“, sagt er. Und seiner Einschätzung nach werde der neue Finanzminister auch keine verhängen, so wie Lindner das schon mal getan hat. Das heißt: Alles, was schon beschlossen ist, kann erst mal weiterbezahlt werden. Gesetzliche Leistungen würden also selbstverständlich bedient. Einziges Problem: Für alles Neue braucht es eine Mehrheit im Bundestag.
Am Donnerstagmorgen kommen die Abgeordneten der Union zu einer Sondersitzung zusammen. Die Stimmung ist ausgelassen, das Scheitern der anderen wird auch hier zelebriert. „Die Ampel ist zu Ende“, sagt Friedrich Merz, und im Saal ertönt lauter Applaus. Er werde den Kanzler nun auffordern, die Vertrauensfrage spätestens in der nächsten Sitzungswoche zu stellen. Staatspolitische Verantwortung hieße: Neuwahlen schnell zu ermöglichen. Die Botschaft dahinter ist deutlich: Wenn Scholz uns braucht, bestimmen wir die Bedingungen.