Kiefer berichtet, dass Alkohol auch eine Art Selbstmedikation ist, etwa bei Angsterkrankungen oder Depressionen – und „manchmal kommen solche Befindlichkeitsstörungen oder psychischen Erkrankungen auch in einer bestimmten Lebensphase auf“. Ein weiterer wichtiger Faktor: Alkohol ist vergleichsweise billig und praktisch überall verfügbar.

Nicht unbedingt daran, wie viel man trinkt. „Wenn man den Schweregrad einer Alkoholabhängigkeit messen will, dann orientiert sich das kaum an den berichteten Trinkmengen“, erklärt Kiefer.

„Das wichtigste Kriterium sind die negativen Konsequenzen, die man bereit ist, in Kauf zu nehmen.“ Wenn es schwerfällt, auf Alkohol zu verzichten – „wenn man merkt, es gibt Dinge, die besser laufen würden, wenn ich nicht trinke, aber man trinkt trotzdem. Dann hat man auch schon ein Alkoholproblem“, sagt der Mediziner.

Und: Wenn Sie feststellen, dass Sie Ihren Alkoholkonsum bewusst zu kontrollieren versuchen, weil Sie befürchten, zu viel zu trinken, kann dies ebenfalls ein Zeichen für ein problematisches Trinkverhalten sein.

Wann handelt es sich um ein größeres Problem?

„Wenn Sie ein größeres Alkoholproblem haben, sagen Sie: ‚Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nur mit null Promille Auto zu fahren, aber ein Bier geht doch‘. Und wenn das Problem dann noch größer wird, dann sagen sie: ‚Mich wird schon keiner erwischen. Und eigentlich kann ich noch fahren'“, so Kiefer. Die Steigerung davon – es geht nur noch um den Alkohol: „Okay, wenn ich jetzt zu der Feier nicht mehr hin und zurück fahren kann. Dann trinke ich halt zu Hause – und verzichte auf meine Freunde.“

Auch wenn es bei ihnen nicht so weit ist, rät Kiefer: sich einen Überblick über den eigenen Alkoholkonsum zu verschaffen. Den haben nämlich die wenigsten, die regelmäßig trinken. Ein Trinktagebuch könne dies dokumentieren. Oder man wirft einen Blick aufs Leergut, das man jede Woche entsorgt – auch das könne eine Problematik ins Bewusstsein rücken.

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Wer das Gefühl hat, das eigene Trinkverhalten ist aus dem Ruder gelaufen, kann Suchtberatungsstellen aufsuchen – eine niedrigschwellige Möglichkeit, Unterstützung zu finden, sagt Kiefer. Sie arbeiten unabhängig von Krankenkassen und machen sich ein Bild der Symptomatik, geben Empfehlungen, ohne das Ziel, eine medizinische Diagnose zu stellen. „Man kann sich informieren und einschätzen, ob das eigene Verhalten problematisch ist, ohne direkt an eine Entzugsklinik oder lebenslange Abstinenz zu denken.“

Auch gute Ansprechpartner: Hausärztin oder Hausarzt. „Sie können und sollen unterstützen, auch unabhängig von der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit“, so Kiefer. „Es gibt ja Zusammenhänge zwischen Alkohol und Beschwerden wie Schlafstörungen, Magenschleimhautentzündungen oder Diabetes, und die kann man viel besser behandeln, wenn der Alkoholkonsum weniger oder ganz aufgegeben wird.“ Natürlich können Hausärzte anhand körperlicher und psychischer Symptome auch eine Abhängigkeitserkrankung diagnostizieren.

Das Wichtige, betont auch Kiefer: „Das ist eine Erkrankung.“ Es geht eben nicht um Willensschwäche. Das sei vielen – auch vielen Betroffenen – nicht ganz klar. Wer das Gefühl hat, sein Konsum könnte problematisch sein, braucht keine Angst zu haben. „Man kann Alkoholprobleme lösen und sogar einer Sucht entwachsen“, so Kiefer.

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