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Der digitale Rückstand im Mittelstand könnte Deutschland teuer zu stehen kommen. Warum viele Betriebe hadern – und welche Weichen jetzt gestellt werden müssen.

Der deutsche Mittelstand steht unter Druck. Während internationale Wettbewerber ihre Geschäftsmodelle konsequent digitalisieren, kämpfen viele kleine und mittlere Unternehmen hierzulande mit veralteter IT, Personalmangel und regulatorischen Hürden. Dabei ist die Lage längst ernst: Ohne digitale Transformation drohen Arbeitsplatzverluste, sinkende Innovationskraft und ein struktureller Abstieg.

Große Mittelständler investieren schätzungsweise durchschnittlich 160.000 Euro pro Jahr in Digitalisierung – kleine Unternehmen bringen es im Schnitt auf gerade einmal 8.000 Euro – zu wenig, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

„Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif – und bei vielen Unternehmen ist das angekommen“, sagt Dr. Ralf Wintergerst, Präsident des deutschen Digitalverbands Bitkom, der über 2.200 Unternehmen der digitalen Wirtschaft vertritt. Doch der Wille allein reicht nicht. Es stellt sich die Frage, ob der deutsche Mittelstand auf dem Weg in die digitale Zukunft bereits den Anschluss verliert – und was das für den Standort Deutschland bedeutet.

Bedeutung des Mittelstands

Der deutsche Mittelstand bildet das Fundament der deutschen Wirtschaft. Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland zählen zu den kleinen und mittleren Betrieben (KMU). Sie beschäftigen mehr als die Hälfte aller abhängig Beschäftigten, rund 19 Millionen Menschen, und bilden mehr als 70 Prozent aller Auszubildenden aus. Mit einem Anteil von über 55 Prozent an der gesamten Wertschöpfung tragen die KMU entscheidend zum Wohlstand im Land bei.

Hinzu kommt ihre besondere Rolle für Innovation und regionale Stabilität. Viele Mittelständler sind global tätig, aber fest in ihrer Heimat verwurzelt, oft familiengeführt und bekannt für Tüftlergeist und Spezialisierung auf Nischenmärkte. Diese Struktur macht den Mittelstand zugleich anpassungsfähig – aber auch verwundbar, wenn es um große Transformationen wie die Digitalisierung geht.

Mitarbeiter einer familiengeführten Bäckerei
Mitarbeiter einer Bäckerei: Viele kleine und mittelständische Betriebe in Deutschland sind oft über mehrere Generationen familiengeführt (Quelle: ProfessionalStudioImages)

Die Gründe für den digitalen Rückstand im deutschen Mittelstand sind vielfältig – und oft miteinander verflochten. Laut dem Digitalreport 2024 des European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School und des Instituts für Demoskopie Allensbach besteht unter 95 Prozent der Führungskräfte die Erkenntnis, dass Deutschland bei der Digitalisierung Nachholbedarf hat.

Als Hauptgründe für diese Situation werden die fehlende strategische Ausrichtung der Bundesregierung sowie unklare Zuständigkeiten identifiziert. Eine klare Digitalagenda und konkrete Prioritäten seitens der Regierung sind daher von entscheidender Bedeutung. KMUs dürfen dies jedoch nicht als Ausrede gelten lassen.

Viele kleine und mittlere Unternehmen investieren zu wenig in ihr Wissenskapital und greifen neue Technologien nur zögerlich auf. Während große Mittelständler deutlich häufiger Digitalisierungsprojekte anstoßen, bleibt es bei kleineren Betrieben oft bei Einzelmaßnahmen.

Ein zentrales Problem ist der Fachkräftemangel. Unternehmen mit Digitalisierungsaktivitäten haben besondere Anforderungen an die Kompetenzen der Bewerber, die häufiger nicht erfüllt werden, heißt es in einer Analyse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Weit mehr als die Hälfte (63 Prozent) der digital aktiven Unternehmen berichten von Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.

Hinzu kommen regulatorische Hürden. Der Datenschutz entwickelt sich laut Bitkom zum größten Digitalisierungshemmnis: Datenschutz ist und bleibe wichtig, aber auch im Datenschutz gebe es einen Kipppunkt, wo er mehr schade als nutze, sagt Wintergerst.

Weitere Problemfelder sind Künstliche Intelligenz und Schutz vor Cyberkriminalität. Bei den KI-Patenten liegt Deutschland gegenüber führenden Nationen zurück und weist eine ausgeprägte Exportschwäche bei KI auf. Dagegen gilt die akademische Forschung in Deutschland als leistungsfähig.

Cyberkriminalität ist längst keine Seltenheit mehr. Vor allem große Unternehmen und solche mit einer hohen Angriffsfläche werden Opfer. Laut KfW-Analyse wurde knapp jedes dritte mittelständische Unternehmen (29 Prozent) im Zeitraum von 2018 bis 2020 Opfer von Cyberkriminalität – die Tendenz zeigt klar nach oben.

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