Die Bundesregierung will die Rüstungsindustrie hochfahren. Mit einem Treffen in seinem Ministerium macht Robert Habeck nun Tempo. Und betont selbst, wie sensibel das Thema ist.

Für einen kleinen Scherz reicht es am Ende doch noch. „So, jetzt darf ich meine Zettel hier nicht liegen lassen“, sagt Robert Habeck und lächelt, als er das Rednerpult nach seinem Pressestatement verlässt. „Alles Verschlusssache.“ Streng geheim also. Ein wenig Humor, wenn die Lage schon so ernst ist.

Denn das, worüber Habeck vorher spricht, ist hochsensibel, das betont er selbst. Es geht buchstäblich um Leben und Tod, um Krieg und Frieden. Im Konkreten nämlich um die Frage: Wie kann die Rüstungsindustrie mehr Waffen und Munition produzieren, damit Deutschland und Europa verteidigungsfähig werden?

Große Runde im Ministerium

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister hat dazu am Mittwoch Vertreter der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in sein Ministerium eingeladen, die „ganze Breite des Spektrums vom U-Boot-Bauer bis zum digitalen Start-up-Unternehmen“, wie er sagt. Auch das Kanzleramt, das Verteidigungsministerium, das Finanzministerium und das Auswärtige Amt sitzen mit Staatssekretären oder Abteilungsleitern am Tisch. Große Runde also.

Über diese Themen zu reden sei nicht leicht, sagt Habeck selbst. Alle wünschten sich, das nicht tun zu müssen. Nur geht das nicht, findet der Vizekanzler. „Die Weltbedrohungslage hat sich verändert“, sagt er. „Sie nicht zu reflektieren, wäre an dieser Stelle naiv. Und Naivität verbittet sich.“

Was das im Ergebnis für ihn bedeutet, macht Habeck auch schnell klar: „Wenn wir nach Russland schauen, müssen wir sehen, dass wir die Produktion von Gütern, die die Sicherheitsfähigkeit des Landes erhöhen, auch in Deutschland und in Europa steigern.“ Man brauche diese Industrien in dieser Zeit.

Habeck mutet den Leuten etwas zu

Habeck ist sich bewusst, wie heikel die Debatte über Aufrüstung ist, besonders in Deutschland. Abschrecken lassen will er sich davon offensichtlich nicht. Es sei zwar wichtig, sagt er, dass es öffentlichen Raum für Nachfragen, Sorgen, Skrupel und Ängste gebe. Man dürfe dabei aber nicht stehenbleiben. „Das politische Gebot der Stunde ist, sicherheitsfähig zu werden. Daran arbeiten wir. Seit heute noch mal verstärkt.“

Es hat eine gewisse Tradition, dass Habeck bereit ist, den Leuten etwas zuzumuten, wenn es um Waffen geht. Schon 2021 forderte er Waffenlieferungen an die Ukraine, damals noch als Grünen-Chef in der Opposition.

Nicht nur seine eigene Partei schrie fassungslos auf, auch Verteidigungspolitiker aus Union und FDP taten das damals noch. Eine gewisse Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, der Konflikt sei nicht mit Waffen zu lösen. Wohlgemerkt: Das alles spielte, bevor Wladimir Putin am 24. Februar 2022 seinen Angriffskrieg zur Vollinvasion der Ukraine begann.

Vor genau einer Woche sprach Habeck erneut aus, was manch anderer nur denkt. Bei der Konferenz „Europe 2024“ sagte der Vizekanzler, Europa müsse „seine eigenen Hausaufgaben in der Wehrhaftigkeit machen“. Die Rüstungsindustrie müsse hochgefahren und Einsatzszenarien zur Landesverteidigung reaktiviert werden.

Man habe nach 1990 abgerüstet, sagte Habeck. Eine Armee habe man nur für „militärische Polizeieinsätze“ im Ausland für nötig gehalten. „Aber dass jetzt auf einmal wieder der Landkrieg zurückgekommen ist, darauf sind wir nicht vorbereitet. Und das müssen wir tun.“ Ein Landkrieg? Und wir sind nicht vorbereitet? Für manche war das wieder zu viel der Ehrlichkeit.

Nicht „kriegstüchtig“, sondern „sicherheitsfähig“

An diesem Mittwoch vermeidet Robert Habeck solche Vokabeln lieber großräumig. Das Treffen ist heikel genug. Auf Nachfrage einer Journalistin will er sich auch dem Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD nicht anschließen, der seit geraumer Zeit sagt, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden.

Habeck spricht am Mittwoch lieber davon, „sicherheitsfähig“ werden zu müssen. Auch weil das für ihn mehr umfasst als die klassische Landesverteidigung. Nämlich ebenso die Wehrhaftigkeit im Umgang mit Desinformation, den Schutz kritischer Infrastruktur wie Krankenhäusern und Cybersecurity.

Nicht nur Panzer und Munition also. Aber eben explizit auch Panzer und Munition.

Wie genau die Produktion jetzt schneller werden soll, verrät Habeck nach dem Runden Tisch mit der Rüstungsindustrie nicht im Detail. „Die Sensibilität des Themas gebietet, dass wir nicht zu konkret werden können, was jetzt folgt.“ Streng geheim also auch das. Es gebe aber „konkrete Arbeitsaufträge“. Und weitere Treffen in ähnlicher Runde, das nächste im Verteidigungsministerium.

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