Nach den Anti-AfD-Protesten und den Landwirten zieht am Sonntag der Mittelstand nach. Es protestieren viele gegen vieles. Die Demo war eine Versammlung der Unzufriedenen.

Auf der Theresienwiese reihen sich am Sonntag die Reisebusse nebeneinander, dahinter einige Traktoren und einige Tausend Demonstranten. Das Bündnis „Hand in Hand für unser Land“ rief vergangene Woche zur Demonstration auf unter dem Motto „Der Mittelstand steht auf“. In der Menschenmenge stehen sowohl Landwirte als auch Spediteure, außerdem Handwerker, Wirte, Senioren, Unternehmer und Privatleute. Eine Veranstaltung, die praktisch alle Unzufriedenen an einem Ort versammeln soll.

München: Publikum buht Journalisten aus

Die Veranstalter rechneten mit bis zu 50.000 Teilnehmern. Laut Polizei waren es letztendlich höchstens 10.000 – inklusive 100 Bussen und 50 Traktoren. Kurz nach Beginn betonten die Landwirte, geschlossen für ihre Interessen einzustehen, verbandsübergreifend. Somit wolle man anderen Bereichen mehr Redezeit geben. Diese wurde unter anderem genutzt, um Journalisten zu ermahnen.

Fast fünf Minuten verbrachte ein Sprecher zu Beginn der Demo damit, gegen Journalisten zu schießen. Zu lange hätten diese versucht, die Landwirte in die rechte Ecke zu drängen. Ein Landwirt stellt auf der Bühne klar: Er liebe die Demokratie, die Landwirte stünden hinter der Presse- und Meinungsfreiheit. Teile des Publikums sehen das vermutlich anders, sie drehen sich in Richtung des abgesperrten Pressebereichs, es folgen Buhrufe, ein Mann zeigt Journalisten den Mittelfinger.

Kurz darauf gibt einer der Landwirte auf der Bühne bekannt, am Montag einen Verein gründen zu wollen und fordert vom Publikum, so viele wie möglich sollen sich doch anschließen. „Wir verbreiten unsere Nachrichten selber und auch unsere Presse machen wir selber“, sagt er ins Mikrofon. Die Menschenmenge antwortet mit Applaus.

Demo für den Mittelstand: Teilnehmerin fordert „weniger Bildung“

Wer in das Publikum schaut, fragt sich ein bisschen, wogegen die Menschen eigentlich genau protestieren. Oder wofür sie stehen. Die einen halten Schilder mit durchgestrichenen Ampeln in die Höhe. Andere sind gegen Hilfszahlungen an die Ukraine. Es wehen Deutschland- und Bayernflaggen. Eine Seniorin fordert auf ihrem Pappschild sogar „Mehr Verstand, weniger Bildung“.

In der Tat richtet sich der Protest am Sonntag gegen vieles, unter anderem gegen die Erhöhung der Lkw-Maut, die Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen, CO2-Steuern oder gegen die wieder erhöhte Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Es geht aber auch um Altersarmut, Wohnungsnot, den Pflegenotstand, fehlende Kitaplätze und zu viel Bürokratie. Gegen alles, was in diesem Land aktuell also nicht so gut laufe.

Veranstalter: „Habeck weiß nicht mehr, wo oben und unten ist“

Eines haben alle Menschen auf der Theresienwiese aber gemein: die Abneigung gegen die Regierung in Berlin und ihre Politiker. Als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein sei der Grüne Robert Habeck ja noch ganz in Ordnung gewesen, sagt ein Sprecher, als Wirtschaftsminister sei er allerdings überfordert, wissen nicht mehr „wo oben und unten“ ist, wo „rechts und links“.

Von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock sei man das allerdings gewohnt, so der Mann. Das Publikum applaudiert. Dennoch ermahnt der Veranstalter das Publikum mit Blick auf einzelne Teilnehmer: Es gehe gar nicht, die Ampel am Galgen zu zeigen.

Mit den bayerischen Politikern gehen Veranstalter und Publikum etwas milder um. Eingeladen waren sowohl der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) als auch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniver (CSU). Beide kamen, ihre Präsenz beschränkte sich jedoch auf Lächeln und Fotos schießen. „Wir haben Sie nicht zum Sprechen eingeladen, sondern zum Zuhören“, sagt einer der Landwirte ins Mikrophon. Wieder folgt Applaus.

Veranstalter distanzieren sich von rechten und linken Bewegungen

Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war eingeladen, er ließ sich entschuldigen und meldete sich stattdessen per Schreiben bei den Veranstaltern. Ihm ließen sie das durchgehen, der Veranstalter verwies auf die doch recht kurzfristige Einladung. „Man sieht aber, wer sich entschuldigt und aus terminlichen Gründen absagt“, sagt der Landwirt auf der Bühne, „Wer das nicht tut, zeigt uns, dass wir ihm nicht wichtig sind.“

Das vielleicht größte Anliegen der Demo-Teilnehmer an diesem Sonntagmittag: Sie wollen in keine Ecke gedrängt werden. „Wir sind weder rechts noch links“, betont ein Redner. Sie stünden für den gesamten Mittelstand. „Wir distanzieren uns von linker und rechter Instrumentalisierung.“

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