Olaf Scholz und Robert Habeck haben sich auf einen Bezahlkarten-Kompromiss geeinigt. Doch im Bundestag sind die Grünen weiterhin nicht überzeugt.

Bei den Grünen gibt es Unmut über den Regierungskompromiss zur Bezahlkarte, durch den künftig mehr Asylbewerber als zuvor einen Großteil ihrer Sozialleistungen als Guthaben statt per Barauszahlung bekommen können. „Die geplante Bezahlkarte verhindert Integration“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete und Kommunalexpertin Karoline Otte t-online. „Das schadet uns allen, insbesondere auch den Städten und Gemeinden. Die Bezahlkarte spielt Rechtsextremen damit in die Hände.“

Otte sagte: „Das ist der größte Bärendienst, den man unserem Land und insbesondere den Städten und Gemeinden erweisen kann.“ Eine rechtliche Klarstellung brauche es zudem nicht, damit die Länder eine Bezahlkarte einführen könnten.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Migrationsexperte Julian Pahlke kritisierte die Bezahlkarte ebenfalls grundsätzlich. „Ich sorge mich vor einer diskriminierenden Wirkung der Bezahlkarte“, sagte Pahlke t-online. „Ich befürchte, dass sich die Bundesländer damit ein System schaffen, das Menschen an der schnellen Integration hindert.“ Wenn es Menschen erschwert werde, „ihr Geld auf regulären Wegen zu verwalten, profitiert am Ende womöglich noch eine Schattenwirtschaft“, sagte der Grünen-Politiker. „Das kann nicht das Interesse sein.“

Pahlke betonte: „Die Wissenschaft sieht in der Bezahlkarte mehr Gefahren als Vorteile. Damit werden Kommunen weiter belastet und Integration erschwert, während wir eigentlich dringend mehr Menschen im Arbeitsleben brauchen.“ Handwerksbetriebe oder die Gastronomie seien darauf angewiesen.

Bundestag muss zustimmen

Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatten sich am Donnerstag darauf geeinigt, die Bezahlkarte wie von den Ländern gewünscht in einer bundesgesetzlichen Regelung festzuschreiben. Teil des Kompromisses ist es nach t-online-Informationen, dass künftig auch solche Asylbewerber zur Nutzung einer Bezahlkarte verpflichtet werden können, die mehr als 36 Monate in Deutschland leben und sogenannte Analogleistungen in Höhe der Sozialhilfesätze beziehen.

Besonders gegen diese Ausweitung hatten sich die Grünen im Bundestag bislang gesperrt. Die entsprechende Formulierungshilfe aus dem Bundesarbeitsministerium soll dem Parlament jetzt mit einem Prüfauftrag zugesandt werden: Zumindest Erwerbstätige, Auszubildende und Studierende, die Analogleistungen zum Beispiel als Aufstocker bekommen, könnten von der Regelung ausgenommen werden.

Die konkrete Ausgestaltung der Karte und damit auch entscheidende Fragen, was mit ihr bezahlt werden kann und wo überall, soll den Ländern überlassen bleiben. Der Unmut bei den Grünen über den Kompromiss ist deshalb relevant, weil der Bundestag und damit auch die grüne Regierungsfraktion das entsprechende Gesetz beschließen müsste.

Fraktionsvize Audretsch reagiert verhalten

Schon am Donnerstagabend hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch verhalten auf den Kompromiss reagiert. Das Bundesarbeitsministerium habe „den expliziten Auftrag zu weiteren Prüfungen und Gesprächen“ gegeben, sagte Audretsch t-online. „Diese Prüfungen werden wir vornehmen.“

„Rechtssicherheit zu schaffen ist das eine“, sagte Audretsch. „Bezahlkarten dürfen aber nicht dazu führen, dass Menschen davon abgehalten werden, sich in Deutschland zu integrieren und Teil unserer Gesellschaft zu werden, gerade wenn sie dauerhaft hier leben.“

Die Liberalen begrüßten die Einigung auf die Bezahlkarte. „Die FDP hat lange darauf gedrängt, anstelle von Bargeld eine Bezahlkarte für Asylbewerber einzuführen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der „Rheinischen Post“. Die Abschaffung von Pull-Faktoren wie Bargeld sei die zentrale Aufgabe, damit die Anreize sinken, irregulär nach Deutschland zu kommen.

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